# taz.de -- Murdoch vor britischem Parlament: Rupert, der im Stich gelassene | |
> "Ich bin der beste Mann, um diese Sache aufzuklären". Vor dem britischen | |
> Parlament gibt sich Murdoch unwissend - und auch die Briten wissen nach | |
> der Anhörung nicht viel mehr. | |
Bild: Breaking News auf allen Kanälen: Rupert Murdoch vor dem britischen Parla… | |
LONDON taz | "Können Sie mir sagen, ob die Abfindung für Taylor an eine | |
Vertraulichkeitsvereinbarung gebunden war?", fragte die britische | |
Abgeordnete Louise Mensch Medienmogul Rupert Murdoch im Anhörungssaal des | |
Londoner Portcullis House, als der 80-Jährige plötzlich von hinten mit | |
Rasierschaum vollgeschmiert wurde. Der Zwischenfall führte zu tumultartigen | |
Szenen, die allerdings nur einige Sekunden dauerten. Der Angreifer, ein | |
britischer Aktivist namens Jonnie Marbles, wurde von Murdochs Ehefrau Wendi | |
unsanft gestoppt, die ihm heroisch eine Ohrfeige verpasste. | |
Heldenhaft ging es bei dieser spektakulären, fast drei Stunden dauernden | |
Anhörung vor dem Medienausschuss des britischen Parlaments zu einer der | |
größten Zeitungsaffären der britischen Nachkriegsgeschichte ansonst nicht | |
zu. Der Auftritt des australischen Medienzars mit US-Pass kam allerdings | |
einer Sensation gleich. Vor 42 Jahren hatte der Vorstandsvorsitzende der | |
News Corp. erstmals Anteile britischer Medien erworben und musste bislang | |
nur zweimal Kongressanhörungen in den USA über sich ergehen lassen – nun | |
musste er sich vor elf Parlamentariern in Großbritannien verantworten. | |
Murdochs zögerliches Gebaren zeigte einmal mehr die Ignoranz des | |
Unternehmers. Auch wenn er zuvor mit dem Bekenntnis "Das ist der | |
demütigendste Tag meines Lebens" versucht hatte, Sympathien zu wecken, so | |
schien er doch wenig über die Ereignisse und Hauptakteure um den | |
Abhörskandal, der zum Untergang der News of the World führte, zu wissen. | |
Auch zeigte Murdoch Senior keine Reue und behauptete mit versteinerter | |
Miene, er könne für das Telefon-Hacking nicht verantwortlich gemacht | |
werden. Schließlich leite er ein globales Unternehmen mit 53.000 | |
Angestellten und die News of the World mache nur ein Prozent des | |
Gesamtumsatzes aus. Auf die Frage warum das Revolverblatt eingestellt | |
wurde, antwortete der Medienunternehmer: "Wir schämten uns und wollten die | |
Sache abschließen. Der wichtige Punkt ist aber, dass wir das Vertrauen | |
unserer Leser verloren hatten." Die konservative Abgeordnete Louise Mensch | |
wollte wissen, ob Murdoch "als Kapitän des Schiffs" nun zurücktreten würde: | |
"Nein", erklärte er, "denn die Leute denen ich vertraute, ließen mich im | |
Stich. Sie haben sich schändlich verhalten und das Unternehmen und mich | |
betrogen. Nun ist es an ihnen, dafür zu bezahlen. Ehrlich gesagt bin ich | |
der Ansicht, dass ich der beste Mann bin, um diese Sache aufzuklären." | |
## Lange Sprechpausen | |
Murdochs Antworten wurden von langen Sprechpausen begleitet und mehrfach | |
versuchte Sohn James, dem Vater helfend unter die Arme zu greifen, wurde | |
aber vom Ausschußvorsitzenden John Whittingdake brüsk zurechtgewiesen: "Ihr | |
Vater ist für die Unternehmensführung verantwortlich und schweres Unrecht | |
wurde dort verübt. Es ist bezeichnend, wieviel er nicht wusste und was | |
seine leitenden Angestellten ihm verheimlichten." | |
James Murdoch, der bei News Corp. für das Europa- und Asiengeschäft | |
zuständig ist, erklärte, das Unternehmen habe nicht den Standards genügt, | |
die man anstrebe und er sei fest entschlossen, "die Sache wieder ins Reine | |
zu bringen und dafür zu sorgen, dass es nicht wieder passiert". Außerdem | |
entschuldigte er sich bei den Opfern des Telefon-Hackings und ihren | |
Familien. Die Schuld dafür, dass er von dem Umfang der Affäre nicht | |
rechtzeitig in Kenntnis gesetzt wurde, liegt laut Murdoch Junior bei der | |
britischen Polizei, den Rechtsanwälten von News Corp. und der Kommission | |
für Pressebeschwerden. | |
Die Frage ist: Was wissen die Briten jetzt, was sie vorher nicht wussten? | |
Die Antwort: nicht viel. Deutlich wurden allerdings während der Anhörung | |
die beiden folgenden, wesentlichen Aspekte: James Murdoch gab zu, dass News | |
International Anwaltskosten für den Privatdetektiv Glenn Mulcaire | |
erstattete, der vormals von der News of the World angeheuert worden war, um | |
Handys anzuzapfen. Mulcaire war 2006 für sein Hacking zu einer | |
Gefängnisstrafe verurteilt worden. | |
Außerdem hatte Murdoch Junior 2008 Schadensersatzzahlungen in Höhe von | |
einer Million und 700.000 Pfund an die Abhöropfer Gordon Taylor und den | |
PR-Guru Max Clifford autorisiert von denen sein Vater nichts gewusst haben | |
soll. Der Hintergrund: Im Verlauf der Prozesse hätte es zu weiteren, | |
peinlichen Enthüllungen über die Methoden der illegalen | |
Informationsbeschaffung bei der News of the World kommen können. | |
## "Murdoch raus" | |
Schon Stunden vor der Veranstaltung hatten sich Protestler und | |
Medienvertreter aus aller Welt vor dem Portcullis House gegenüber dem | |
britischen Parlament eingefunden. Ein Schwarm von Journalisten drängelte | |
sich um die besten Plätze und brachte Fernsehkameras und Mikrofone in | |
Anschlag. Eine Protestgruppe machte aus ihrer Abneigung für Rupert Murdoch | |
und Premierminister David Cameron keinen Hehl: "Murdoch raus, wir wissen | |
was du vorhast", ertönten die Sprechchöre lautstark. "Macht die Presse | |
sauber" und "Zerschlagt Murdochs böses Imperium" stand auf ihren Plakaten. | |
Als die Murdochs dann um 15.37 MEZ eintrafen, brach ein Blitzlichtgewitter | |
los. Die Besucher- und Presseräume waren zum Bersten gefüllt. Bevor Vater | |
und Sohn schließlich entlassen wurden, verlas Murdoch Senior ein Statement. | |
"Ich habe Fehler gemacht", gab der Medienmogul zu, "aber meine Empörung war | |
auf dem Höhepunkt als ich erfuhr, was die Familie Dowler durchgemacht | |
hatte." Ein weiterer Versuch des Australiers, auf die Tränendrüse zu | |
drücken? Die Londoner Abendzeitung Evening Standard präsentierte im | |
Anschluss an die Anhörung ein Foto des sichtlich zerknirschten Rupert | |
Murdoch auf der Titelseite und triumphierte: "Sie konnten ihren Stress | |
nicht verbergen!" Ob die Murdochs wirklich in die Knie gezwungen wurden, | |
wird sich aber erst im weiteren Verlauf des Abhörskandals zeigen. | |
20 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Frank Heinz Diebel | |
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