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# taz.de -- Kritik am Glücksspielstaatsvertrag: Spitzen aus Brüssel
> Die EU-Kommission kritisiert den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags.
> Und Schleswig-Holstein droht weiterhin mit einem Alleingang.
Bild: Rien ne va plus.
KIEL taz | Einen neuen Rüffel aus Brüssel gab es für den aktuellen Entwurf
des [1][Glücksspielsstaatsvertrags]. Die EU-Kommission wirft den 15
Bundesländern, die den Vertragsentwurf eingereicht haben, unter anderem
"Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs" vor, in der EU immer
ein grober Verstoß gegen die Spielregeln. In einigen Punkten sei die
"Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen nicht nachgewiesen", und es blieben
"Bedenken hinsichtlich der Übereinstimmung mit EU-Recht".
In dem elfseitigen Papier, das der taz vorliegt, heißt es etwas spitz, dass
die Kommission "weiterführende Begründungen begrüßen" würde. Es geht um die
Neuregelung des Glücksspielmarktes, mit dem die Bundesländer sich
offenkundig schwer tun.
Vor allem der online-Spielemarkt – wobei der Großbereich der Rollenspiele
fehlt – passt wenig zum bisherigen staatlichen Lotto-, Toto- und
Automatenmonopol. Im vergangenen Jahr kippte der Europäische Gerichtshof
den bisherigen Staatsvertrag, in dem die Bundesländer ihren Umgang mit
Glücksspiel und Suchtbekämpfung regeln. Nun muss bis Jahresende ein neuer
Vertrag her.
Bis auf Schleswig-Holstein, das seit Jahren für eine Liberalisierung des
Glücksspielmarktes eintritt, wollen die Länder ihre [2][Monopole halten] –
vor allem wegen der Millionenabgaben, die sie von den Vertriebsstellen des
staatlichen Lottoblocks, den Casinos, aber auch den Daddelhallen und
Automaten in Kneipen.
## Beim Wetten keine Grenzen
Dabei passiert das Spiel mehr und mehr im Netz: Laut einer Studie des
Hamburger Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers Ingo Fiedler erzielt der
Anbieter bwin, einer der Großen der Branche, im Jahr 2009 bereits mehr als
die Hälfte seiner Einnahmen über Livewetten im Sportbereich. Fiedler hat
die schnellen Spiele im Netz untersucht, vor allem Sportwetten, aber auch
Poker, und sich mit dem Gefahrenpotential und den sozialen Kosten befasst.
Der Wissenschaftler spricht vom [3]["Glücksspiel mit Suchtturbo"], vor
allem bei den Sportwetten, bei denen längst nicht mehr nur auf das Ergebnis
eines Fußballspiels gesetzt wird, sondern im Sekundentakt auf alle
Ereignisse zwischen Anstoß und Schlusspfiff: Stolpert ein Spieler, gibt es
Eckball? "Die Zahl potentieller Wetten ist praktisch unbegrenzt und es
fehlt ein natürliches Ende des Spielablaufs", so Fiedler. "Spieler, die
sich im so genannten ,Hot-Mode’ befinden, verlieren in dieser Zeit
Kontrolle über ihr Spielverhalten." Und über ihre Börsen: Laut Fiedler
betrugen allein die Verluste deutscher Spieler bei Sportwetten im Internet
im Jahr 2010 etwa 265 Millionen Euro.
Zurzeit ist dieser Markt in Deutschland eigentlich verboten, die Anbieter
agieren vom Ausland. Im neuen Staatsvertrag wollen die Länder nun
Online-Spiele legal zulassen, dafür sollen Firmen wie bwin oder betwin
Konzessionen erwerben und Abgaben zahlen. Allerdings: Nur sieben solcher
Genehmigungen wollen die Länder verkaufen.
## Experten warnen vor Zunahme der Spielsucht
Daran stört sich die EU-Kommission, ebenso wie an Werbeeinschränkungen. Von
den Bundesländer kamen bisher verhaltene Reaktionen auf die Kritik: Die
Stellungnahme der EU-Kommission würde "nun genau geprüft", hieß es aus
Sachsen-Anhalt. Der Thüringer SPD-Abgeordnete Heiko Gentzel warnte,
Glücksspiel dürfe "nicht den Kräften des freien Marktes ausgesetzt werden".
"Die Länder haben sich verzockt", stellt Wolfgang Kubicki,
FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, fest. Die schwarz-gelbe Regierung
in Kiel will, kommt es zu keiner Einigung, ein eigenes Gesetz erlassen, das
direkt nach der Sommerpause verabschiedet werden könnte. Wenn es in Kraft
tritt, könnten sich Online-Anbieter in Schleswig-Holstein, im neuen "Las
Vegas im Norden", legal niederlassen. Das Land verspricht sich dadurch
Einnahmen, aber auch besseren Spielerschutz, schließlich werde das Gesetz
Fragen regeln, die in anderen Teilen der Republik rechtsfreier Raum sind.
Kritiker, etwa von Verbänden und Suchtstellen, warnen vor der
Liberalisierung: Noch mehr Werbung für Spiele würde die Umsätze, die Zahl
der Spieler und der Spielsüchtigen steigern.
20 Jul 2011
## LINKS
[1] /Neuer-Gluecksspielstaatsvertrag/!68662/
[2] /Netzsperren-gegen-Online-Gluecksspiele/!69220/
[3] /rger-ueber-Gluecksspiel-Staatsvertrag/!69030/
## AUTOREN
Esther Geisslinger
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