# taz.de -- Reaktionen auf das Attentat in Norwegen: "Nationale Tragödie" | |
> Bislang sind nach den beiden Attentaten in Norwegen 93 Tote bestätigt. | |
> Kritik gibt es am verspäteten Eingreifen der Polizei auf der Insel Utøya. | |
Bild: "Unsere Antwort wird mehr Offenheit und mehr Demokratie sein" - die Reakt… | |
STOCKHOLM taz | "Unsere Antwort wird mehr Offenheit und mehr Demokratie | |
sein. Wir lassen uns unsere offene Gesellschaft nicht kaputt machen." Mit | |
diesen Sätzen reagierte Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg am | |
Samstagmorgen in einer emotionalen TV-Ansprache auf die Bluttaten vom | |
Freitag. Sprach von einer "nationalen Tragödie" und einem "unbegreiflichen | |
Albtraum", der aber nur dazu führen werde, dass die Norweger nun noch mehr | |
zusammenstehen würden. | |
Unter den Opfern des Bombenattentats im Regierungsviertel seien eigene | |
Mitarbeiter gewesen und auch einige der auf der Insel Utøya Ermordeten | |
beziehungsweise deren Familien kenne er persönlich, erklärte Stoltenberg. | |
Das dortige Sommerlager, das er selbst seit 1974 jedes Jahr besucht habe, | |
habe sich von dem Paradies seiner Jugendzeit zu einer Hölle verwandelt. Von | |
den rund 650 TeilnehmerInnen an diesem traditionellen Treffpunkt der | |
Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die meisten im | |
Alter zwischen 14 und 17 Jahren, gelang es dem Attentäter 85 Menschen zu | |
erschießen, bevor eine Einsatzgruppe der Polizei nach mehr als einer Stunde | |
vor Ort war und ihn festnehmen konnte. | |
Augenzeugen beschreiben dabei einen mit [1][unglaublicher Kaltblütigkeit] | |
handelnden Täter in falscher Polizeiuniform, der die TeilnehmerInnen des | |
Lagers, die sich gerade zur Diskussion der Vorgänge in Oslo versammelt | |
hatten, unter dem Vorwand, er habe wichtige Informationen zu dem | |
Bombenanschlag, zu sich lockte. Dann habe er mit dem Schrei [2]["Ich werde | |
euch alle töten"] begonnen zu schießen. Fliehende habe er einzeln verfolgt | |
und auch noch auf sie gefeuert, als diese ins Wasser sprangen und | |
wegzuschwimmen versuchten. Einige hätte er regelrecht hingerichtet. Ein | |
21-jähriger beschreibt in seinem Blog, wie er sich unter den Leichen von | |
zwei Mädchen eine Stunde lang tot gestellt habe. Andere berichten, wie sie | |
sich hinter Felsen und in Mulden verteckt hätten. "Er ging unheimlich | |
konzentriert vor" beabachtete ihn der 27-jährige Thorbjörn aus seinem | |
Versteck: "Und schoss auf jeden zwei Mal, wohl um sicher zu sein, dass er | |
auch wirklich tot war." | |
## Sichtbare Militär- und Polizeipräsenz auf Oslos Straßen | |
Bischöfin Laila Riksaasen Dahl äußerte auf einer Trauerfeier für die Toten: | |
Mit den Schüssen auf die Politikjugend sollte "unsere gemeinsame Zukunft | |
getroffen werden". Vom "schwärzesten Tag für die Arbeiterpartei" sprach der | |
sozialdemokratische Parteisekretär Raymond Johansen. Die Königsfamilie | |
besuchte Attentatsopfer. König Harald sprach in einer TV-Ansprache von | |
einem "Angriff auf unsere Demokratie" und appellierte an die Bürger, | |
Freiheit müsse stärker als Angst sein. Viele Menschen suchten Kirchen auf | |
und zündeten Kerzen an. Am Sonntag fand ein Gedenkgottesdienst in der | |
Domkirche von Olso statt. Und eine [3][Facebook-Seite] zum Gedenken an die | |
Opfer sammelte binnen 24 Stunden über eine Million Mitglieder. Zahlreiche | |
ausländische PolitikerInnen, von US-Präsident Obama bis Bundeskanzlerin | |
Merkel drückten Norwegen ihr Mitgefühl aus. | |
In Oslo waren am Wochenende die Folgen der Anschläge deutlich spürbar. | |
Weniger Menschen bewegten sich in der City, dafür gab es eine deutlich | |
sichtbare Militär- und Polizeipräsenz. Schloss, Parlament und | |
Regierungsgebäude waren abgeriegelt. Dass es - anders als auf Utøya - bei | |
dem am Freitagnachmittag zwei Stunden vorher erfolgten Bombenanschlag im | |
Regierungsviertel von Oslo trotz umfassender materieller Verwüstungen nur | |
11 Tote gegeben hatte, war vermutlich vor allem der Ferienzeit und dem | |
Zeitpunkt der Explosion geschuldet. Denn am Freitagnachmittag war bereits | |
um 15 Uhr Büroschluss - eine knappe halbe Stunde vor der Detonation. Die | |
Straße war deshalb fast menschenleer. Und wegen der Urlaubszeit arbeitete | |
ein Grossteil der Regierungsbediensteten sowieso überhaupt nicht. | |
Schon bevor die technischen Ermittlungen der Polizei abgeschlossen sind, | |
äußerten verschiedene Bombenexperten die Vermutung, die Autobombe im | |
Stadtzentrum könne trotz ihrer gewaltigen Sprengkraft ein Eigenbau gewesen | |
sein, für den der Täter keine Hilfe anderer Personen benötigt hätte. | |
"Kunstdünger, Diesel und einige andere Bestandteile", vermutete der | |
Minenexperte Per Nergaard: "Die Rezepte kann man im Internet finden. Trotz | |
der Bombenanschläge in Madrid (2004) und London (2005) sei eine | |
EU-Verordnung, mit der der Zugang zu möglichen Bombenbaumaterialien | |
erschwert werden soll und die dann auch für Norwegen gelten würde, noch | |
nicht in Kraft, erklärte Siri Haugehaugen vom Zivilschutz-direktorat DSB | |
gegenüber der Tageszeitung Aftenposten. | |
Erste Kritik wird mittlerweile am Vorgehen der Polizei beim Blutbad auf der | |
Insel Utøya laut. Die Polizei traf dort erst nach eineinhalb Stunden ein. | |
Woraufhin der Tätter sofort seine Waffen niederlegte und sich ohne | |
Widerstand verhaften ließ. Ein füheres Eingreifen hätte also womöglich | |
manches Menschenleben retten können. Die Polizei begründet das verspätete | |
Eingreifen mit logistischen Problemen: Man habe erst Boote und Hubschrauber | |
beschaffen müssen. | |
24 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] /ber-90-Tote-in-Norwegen/!75023/ | |
[2] /Historiker-ueber-den-Attentaeter-von-Oslo/!75026/ | |
[3] http://www.facebook.com/event.php?eid=244185822272540 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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