# taz.de -- Historiker über den Attentäter von Oslo: "Anti-Multikulturalismus… | |
> Anders B. Breivik glaubt, dass der Multikulturalismus die europäische | |
> Kultur zerstöre. Er ist besessen von einer konspirativen Weltanschauung, | |
> sagt der norwegische Historiker Terje Emberland. | |
Bild: Fernsehaufnahmen von Breiviks Biofarm in Rena, 100 Kilometer nördlich vo… | |
taz: Nach bisherigen Erkenntnissen ist Andreas Bering Breivik allein für | |
die Attentate verantwortlich. Ein Einzeltäter, der sehr lange diese Taten | |
nüchtern vorbereitete und kalt umsetzte? | |
Terje Emberland: Ja, Breivik war offensichtlich ein "Einzeltäter" – ein | |
"einsamer Wol"' – der alleine agierte. Er hatte nichtsdestotrotz Kontakte | |
zu rechtsextremen Diskussionsforen wie nordisk.no und document.no. Von 1999 | |
bis 2006 war er Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei | |
(Fremskrittspartiet) und gehörte auch deren Jugendverband an. | |
Im Internet, aber auch gegenüber der Polizei. stellt er sich als | |
"christlich konservativ" da. | |
Er betont kein Nazi zu sein. Er besteht auf den Webseiten, dass er ein | |
konservativer Nationalist ist. Aus den Beiträgen im Internet wird deutlich, | |
das er einen tiefen Anti-Islamismus und Anti-Multikulturalismus | |
verinnerlicht hat. | |
Warum griff er gerade Sozialdemokraten an? | |
Er macht die Sozialdemokratie für die multikulturelle Gesellschaft | |
verantwortlich. Er ist besessen von einer konspirativen Weltanschauung, in | |
der die "Marxisten" versuchen, die westliche Kultur mittels | |
Multikulturalismus zu zerstören. Solche Verschwörungstheorien gegen | |
Marxisten, Sozialdemokraten und Juden haben im Rechtsextremismus eine lange | |
- sehr lange – Tradition. Diese Weltanschauung, so der jetzige | |
Erkenntnisstand, war die treibende Hauptmotivation hinter den | |
terroristischen Angriffen. | |
Er hatte alleine über das Internet Kontakt zu militanteren Kreisen? | |
Die militante Neonazi-Szene in Norwegen ist seit 2000 eher klein und | |
schlecht organisiert. Einige wenige Gruppen sind aktiv, aber sie besitzen | |
keine charismatische, zentrale Führerfigur. Einige winzige Milieus haben | |
Kontakte zu deutschen Kameradschaften und schwedischen Neonazis. Aber | |
allgemein gesprochen, werden die norwegischen Nazis von ihren deutschen und | |
schwedischen "Kameraden" nicht sehr ernst genommen. Die populistische | |
Rechte und die anti-islamistische Szene sind aktiver und stärker. Dieser | |
Szene gehörte Breivik hauptsächlich an. Vor ein paar Jahren versuchte er in | |
Norwegen ein Pendant der englischen Defence League zu organisieren, die | |
2009 gegründete Organisation will die "Islamisierung" Englands verhindern. | |
Eine kleine Neonazi-Szene, aber doch militant? | |
In Skandinavien wurden mehrere Neonazi-Verbrechen begangen – hauptsächlich | |
in Schweden. Ein schwedischer Gewerkschafter und ein Antifaschist wurden | |
vor einigen Jahren von Neonazis getötet. Es gab ebenfalls einen versuchten | |
Bombenanschlag auf ein antifaschistisches Zentrum – Blitz in Oslo – aber | |
nichts von der Größe und dem Charakter des jüngsten terroristischen | |
Angriffs. Und all diese Verbrechen standen in Beziehung zur Anti-Antifa. | |
Vom anti-islamistischen und anti-multikulturellen 'Populisten' zum | |
Attentäter? Breivik verfasste das 1500 Seiten starke Manifest "2083. A | |
European Declaration of Indepence", in dem er von "Rassenhass" und der | |
Befreiung von der Zuwanderung schreibt. | |
Nachdem er die Fortschrittspartei verlassen hatte, durchlief er | |
offensichtlich einen Radikalisierungsprozess. Er wendete sich radikaleren | |
Positionen zu, da er die Haltung der Fortschrittspartei zu Immigration und | |
Multikulturalismus zu moderat fand. | |
Er kam aus dem "Nichts" heiß es. Müsste es nicht heißen, er kam aus der | |
Mitte der Gesellschaft? | |
Eine ansteigende anti-islamistische Stimmmung ist in Norwegen zu | |
beobachten. Bisher hat sie sich aber hauptsächlich um die | |
Fortschrittspartei fokussiert. | |
INTERVIEW: ANDREAS SPEIT | |
24 Jul 2011 | |
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