# taz.de -- Hungersnot in Somalia: Wegelagerer der Hungerhilfe | |
> Die Hilfe des UN-Welternährungsprogramms ist gestartet. In Mogadischu | |
> haben Helfer mit Sicherheitsfirmen, Friedenstruppen und korrupten | |
> Händlern zu tun. | |
Bild: Somalische Frauen auf der Flucht vor dem Hunger: Grenzstadt Dhobley, Soma… | |
NAIROBI/BERLIN taz | Am Mittwoch war es endlich so weit: Ein Flugzeug des | |
UN-Welternährungsprogramms (WFP) aus Nairobi landete in der somalischen | |
Hauptstadt Mogadischu. An Bord: 14 Tonnen Zusatznahrung für Kleinkinder, in | |
der Sprache der Helfer "supplementary plumpy". Das WFP erklärte dies zum | |
Begriff einer Luftbrücke zur Versorgung der Hungernden in Somalia. | |
Doch auf Somalias Aden Adde International Airport am Strand zwischen Dünen | |
und Ruinen, in Deutschland bekannt geworden durch die Entführung der | |
"Landshut" im Oktober 1977, landen jeden Tag Flüge mit Hilfsgütern und | |
Waren: WFP-Kleinflieger, UN-Flugzeuge, Passagiermaschinen aus Kenia und | |
Dubai. Das irische Hilfswerk Concern flog Mittwochfrüh 38 Tonnen Wasser und | |
Baumaterial aus Dubai ein, davor kamen zwei Hilfsflüge aus Kuwait. | |
Zwischen 1991 und 2006 bürgerkriegsbedingt geschlossen, ist der Flughafen | |
seit einigen Monaten frisch gestrichen und halbwegs wiederhergestellt von | |
der privaten Sicherheitsfirma SKA Air & Logistics aus Dubai. Noch Ende | |
letzten Jahres mussten Passagiere im Einreiseformular die Frage | |
beantworten, welche Waffen sie mitgebracht hätten. Inzwischen hinterlassen | |
Reisende ihre Fingerabdrücke und Scanner durchleuchten das Gepäck. | |
Neben dem Flughafen hat die afrikanische Friedenstruppe Amisom aus Ugandern | |
und Burundern, die die somalische Übergangsregierung vor den islamistischen | |
Shabaab-Milizen schützen, ein Militärcamp. Den Flughafen und den Seehafen | |
von Mogadischu zu sichern ist zentraler Auftrag der 9.000 Amisom-Soldaten. | |
Der Flughafen ist militärisch abgesichert, der Zugang durch schwere | |
Betonblocks versperrt. Wer von außen in das Gelände will, muss vor den | |
Sperren parken und die peniblen Sperren zu Fuß durchqueren. | |
## Der Seeweg dauert zu lange | |
Auch der Hafen von Mogadischu wird von der Amisom kontrolliert. Die Aufgabe | |
ist nicht zuletzt, das Anlanden und ungestörte Löschen von Schiffen des WFP | |
mit Hilfsgütern zu ermöglichen. Dies ist auch Kern des Mandats der | |
Atalanta-Mission der EU, die im Indischen Ozean somalische Piraten abwehrt. | |
Seetransporte sind für die humanitäre Arbeit des WFP in Somalia viel | |
wichtiger als Lufttransporte. Das UN-Welternährungsprogramm finanzierte im | |
vergangenen Jahr in Mogadischu die Ausbaggerung versandeter Hafenanlagen | |
und den Bau neuer Lagerhallen. | |
Regelmäßig eskortieren ausländische Kriegsschiffe vom WFP gecharterte | |
Frachter in somalische Häfen - zuletzt die "MV Dream", die Anfang Juli | |
Bosasso im Nordosten Somalias ansteuerte, geschützt von einem chinesischen | |
Kriegsschiff, und vor einer Woche ein Schiff aus Kenia unter französischer | |
Eskorte. Die "MV Dream" hatte 5.900 Tonnen Lebensmittel an Bord. Das | |
entspricht 400 Flugzeugladungen. Doch der Seeweg dauere bei der derzeitigen | |
Notlage viel zu lange, erklärt das WFP jetzt zur Rechtfertigung der | |
Lufttransporte. Seit April hat das WFP in Mogadischu keine Ladung mehr | |
gelöscht. | |
Was mit Hilfe geschieht, nachdem sie in Mogadischu ankommt, liegt im | |
Ermessen der einzelnen Organisationen. Vergangenes Jahr übte ein UN-Bericht | |
heftige Kritik am WFP: Ein Großteil seiner Nahrungsmittelhilfe für Somalia | |
lande nicht bei den Bedürftigen, sondern bei Mittelsmännern bewaffneter | |
Gruppen und bei Geschäftsleuten, die sie dann gewinnbringend | |
weiterverkauften. Ferner habe das WFP mit einigen dieser Geschäftsleute | |
lukrative Logistikverträge geschlossen. | |
Die fraglichen Geschäftsbeziehungen hat das WFP nach eigenen Angaben | |
mittlerweile beendet. Aber vor wenigen Wochen berichtete der somalische | |
Radiosender RBC, weiterhin würden UN-Lieferungen gleich bei der Löschung im | |
Hafen an Händler weiterverkauft statt zu den Hungernden gebracht zu werden. | |
27 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
B. Rühl | |
D. Johnson | |
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