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# taz.de -- Hooliganattacken bei BFC Dynamo - Lautern: Auf die Fresse!
> Nach dem 0:3 im DFB-Pokal stürmen Anhänger von Dynamo Berlin den Block
> der Kaiserslautern-Fans. Es gibt Verletzte. Im Internet wird die Attacke
> als "geile Aktion" gefeiert.
Bild: Unterzahl: Ein Polizist gegen viele Dynamo-Hools.
BERLIN taz | Als sich die Lage beruhigt hat, geht Alexander Rahmig zu
seinem Auto. Es regnet in Strömen. Der BFC-Spieler bleibt trotzdem stehen
und nimmt sich Zeit für den Reporter. "Die Fans nerven", sagt der
Rotschopf. "Es ist immer wieder dasselbe, einfach enttäuschend."
Rahmig, 22, hat vorher bei Hansa Rostock gespielt und für den Greifswalder
SV, seit 2010 ist er beim BFC Dynamo. Er fragt sich nach diesem Spiel
bestimmt, wo er da hingeraten ist. Die Fans des BFC sind berüchtigt, aber
was am Samstag während und nach dem DFB-Pokalspiel gegen Kaiserslautern
passiert ist, hat sich wohl auch Rahmig nicht recht ausmalen können. Er
schüttelt den Kopf.
Der Jahn-Sportpark in Berlin-Prenzlauer Berg ist trotz des Regenwetters gut
gefüllt, über 10.000 Zuschauer sind gekommen. Die BFC-Anhänger besetzen
komplett die Gegentribüne. 440 Polizisten begleiten das "Hochrisiko"-Spiel.
Sie kanalisieren bereits beim Anmarsch die Ströme der Fans. Es mögen 5.000
oder 6.000 BFC-Fans im Stadion sein und 2.000 FCK-Anhänger.
An den Zäunen hängen Plakate mit Aufschriften wie "BFC – mehr als eine
Legende" und "Der Mythos stirbt nie". Der ehemalige Stasi-Klub ist zehnmal
DDR-Meister geworden, durchgehend von 1979 bis 1988, spielt aber jetzt nur
noch in der Oberliga, fünfte Spielklasse. Die Partie ist schnell
entschieden. Der Bundesligist schießt drei Tore.
Der BFC spielt schwach, schliddert über den Rasen und kommt nur zu einer
Chance. Die Fans unterhalten sich auf ihre Weise – sie zünden Böller, erst
einen, dann eine ganze Serie. Im Block qualmt es. In der 77. Minute kommt
es zu einer Spielunterbrechung. Ein BFC-Vertreter wird vom Schiedsrichter
in die Kurve geschickt. Nach drei Minuten geht es weiter. "Also das nächste
Mal den Kopf einschalten, ihr schadet dem BFC", mahnt der Stadionsprecher.
Der BFC-Ultrablock entrollt ein Transparent. Darauf: "Eine Kurve ohne
Fahnen ist so sinnlos wie eure Verfahren." Vereinzelt sind Rufe "Auf die
Fresse!" zu hören. Doch als die Lauterer Fans den sogenannten
"Tempo-Abschied" zelebrieren, also mit weißen Papiertaschentüchern
schwenken, schreit der BFC-Block wie aus einer Kehle: "Auf die Fresse!"
Sie fühlen sich provoziert. Bevor sie ihre Ankündigung in die Tat umsetzen,
wird das eigene Team gefeiert. "Hoch solln se leben, dreimal hoch",
skandieren sie. Dann formieren sich die ersten Trupps. Man attackiert ein
Tor, will in den Innenbereich. Die Leute des Sicherheitsdienstes stemmen
sich gegen die Pforte. Zwei BFCler kommen trotzdem durch, bauen sich vorm
Lauterer Block auf. Die Ordner sehen zu. Derweil gelingt Dutzenden von
BFC-Hooligans der Durchbruch am Oberring. Sie stürmen, ohne auf größeren
Widerstand der Polizei zu treffen, auf die Lauterer zu. Die ergreifen die
Flucht.
## Keine Rücksicht auf Kinder
Es kommt zu turbulenten Szenen, Schlägereien und Stürzen. 50
Ermittlungsverfahren werden eingeleitet, 18 Polizisten verletzt – auch
etliche Fans auf beiden Seiten. Der BFC-Sturmtrupp nimmt keine Rücksicht
auf Frauen und Kinder im Gästeblock. Nach der Attacke trägt ein Vater seine
10-jährige Tochter aus der Gefahrenzone. Sie weint, hat sich am
Oberschenkel verletzt. "Diese Viecher", sagt der Vater aufgeregt, "wie
Tiere sind sie mit Plastikstangen auf uns los, auf Kinder."
Ein älterer BFC-Fan hört das und sagt: "Na, na, na, Vorsicht." Ein anderes
Mädchen, das in einem Spieler-Trikot mit der Aufschrift "Sippel" steckt,
weint. Sie steht unter Schock. Zum Trost wird sie nachher in den Lauterer
Mannschaftsbus dürfen. Ein Mitarbeiter am Bierausschank, der das Geschehen
aus nächster Nähe verfolgt hat, sagt zu seinem Kollegen: "Das nächste Mal
sollte der BFC lieber im Knast spielen, da können die Fans dann gleich dort
bleiben."
Die Lauterer werden von der Polizei eingekesselt, wohl zum eigenen Schutz.
Es kommt jetzt nur noch zu Wortgefechten. "Halt's Maul, Drecks-Stasi",
schimpfen Lauterer. Und: "Zurück in die Zone." Ein BFC-Hool schreit: "Vorm
Stadion kriegt ihr es noch richtig besorgt." Es ist kein guter Tag für die
Hardcore-Fans des 1. FCK, denn bereits auf der Anreise wurden ein paar von
ihnen von Eintracht-Frankfurt-Fans aufgemischt.
## "Richtig Old School"
In Foren im Internet wird die Randale aufgearbeitet. Tenor mutmaßlicher
BFC-Sympathisanten: Die sollen sich mal nicht so haben, diese Aktion sei
"richtig Old School" gewesen. Soll heißen: Was in der Bundesliga wegen der
Sicherheitsbestimmungen nicht mehr möglich ist, geht bei uns noch:
Kloppereien im Stadion.
Auf der Seite [1][www.ultras.ws] schreibt "scbchaot": "nananana nicht
heulen .. ihr habt halt verloren." Ein gewisser "TR-CR" hinterlässt: "war
ne geile aktion." und "original18" meint: "nur noch lutscher unterwegs.
Erst provozieren und denken die sind eh so weit weg und dann nicht die eier
in der hose…" In Erinnerungen schwelgt "BlueEyedDevil": "könnte ich fast
meinen alten pulli rausholen." Darauf steht, wie er verrät: "Mein Opa ein
Nazi, Mein Vater bei der Stasi und ich beim BFC Dynamo."
Auf der Pressekonferenz sagt BFC-Trainer Heiko Bonan: "Ich war überzeugt,
dass der BFC nicht mehr in das Klischee hineinpasst, was man so hat." Seit
einem Jahr sei es ja ruhig gewesen, nur ein Böller im Berliner Pokalspiel
gegen Stern 1900 habe es gegeben. Vor 13 Monaten freilich stürmten
BFC-Hools das Spielfeld im Jahn-Sportpark und prügelten sich mit
Sicherheitsleuten. Das Spiel gegen BAK Ankaraspor 07 war mit 0:1 verloren
gegangen.
BFC-Pressesprecher Martin Richter sagt: "Der BFC wird als Plattform
missbraucht, um hier die Sau rauszulassen." Das werfe den Verein immer
wieder "kilometerweit zurück". Was den BFC nun an Schlagzeilen erwarte,
hätten nur "diese 50 bis 100 Leute" zu verantworten. Sein Fazit: "Es gibt
eben Leute, die man nicht erreicht", echte BFC-Fans würden so etwas nicht
tun.
## BFC will Strafanzeige erstatten
Den Angriff verfolgt hat auch der Lauterer Profi Mathias Abel. "Es ist eine
Sauerei, dass so etwas passiert und die Polizei und die Ordner gucken zu.
Es ist unverständlich, dass so ein Klub überhaupt so ein Spiel machen
darf", erregt er sich; den letzten Auftritt in diesem Wettbewerb hatte der
BFC vor 12 Jahren. Nicht nur Abel wundert sich über die Polizei-Strategie.
Eine Polizei-Sprecherin rechtfertigt die mangelnde Präsenz: "Für die
Sicherheit im Stadion ist in erster Linie der Sicherheitsdienst des
veranstaltenden Klubs zuständig." Aber allein schon, weil die BFC-Security
vor Jahresfrist von den eigenen Fans vermöbelt wurde, hätte mehr Polizei
als Puffer im Stadion sein müssen.
Der BFC, so melden es gestern Agenturen, will Strafanzeige gegen die
Randalierer stellen. Zudem wolle der Klub "eine etwaige Strafe des DFB auf
zivilrechtlichen Wege geltend machen". Es sind hilflose Versuche, das
Fanproblem in den Griff zu bekommen. Pressesprecher Richter hofft nun
wenigstens, "dass sich diese Leute nicht den grauen Oberliga-Alltag antun".
Er meint die Schläger mit den Cargohosen und den weinroten Leibchen.
31 Jul 2011
## LINKS
[1] http://www.ultras.ws/
## AUTOREN
Markus Völker
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