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# taz.de -- Realsozialismus-Debatte: Ost-West-Konflikt in der Linkspartei
> Kurz vor den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin streitet die
> Linkspartei über den Umgang mit dem Stalinismus. Wie so oft ein Problem
> zwischen Ost und West.
Bild: Lafontaines Angriff auf die Ost-Linken: Lieber gegen den Finanzkapitalism…
BERLIN taz | Die Linkspartei wird im Sommer von Debatten beherrscht, in
denen sich ein ungelöster West-Ost-Konflikt zeigt. Eine Bruchlinie ist
insbesondere die Frage, ob die Linkspartei als Ganzes verpflichtet ist, den
diktatorischen Realsozialismus kritisch als eigenen Traditionsbestand
anzuerkennen.
Jüngster Streitpunkt ist ein eher unscheinbarer Text, den Ex-Linken-Chef
Oskar Lafontaine Mitte Juli für das [1][Neue Deutschland] schrieb. Tenor:
Die Auseinandersetzung mit dem "Stalinismus als System", so die etwas
kryptische Chiffre der PDS für den autoritären Staatssozialismus, ist
längst abgeschlossen.
Heute, so Lafontaine im Rückgriff auf den Ex-PDS-Vordenker Michael
Schumann, sind die Merkmale des autoritären Sozialismus im
Finanzkapitalismus wieder zu besichtigen. Kommandowirtschaft, entmündigte
Bürger, zensierte Presse und Ausgrenzung Andersdenkender, all das gibt es
laut Lafontaine in der Bundesrepublik. Und, so der Subtext, die Ostgenossen
sollten lieber gegen den Finanzkapitalismus kämpfen und Schluss mit der
Vergangenheitsbewältigung machen.
Die Antwort der Brandenburger Linkspartei, die mit der SPD in Potsdam
regiert, fiel scharf aus. Wer wie Lafontaine den Staatssozialismus mit der
parlamentarischen Demokratie vergleiche, offenbare einen "rein taktischen,
agitatorischen Zugang zu der Geschichte der linken Bewegung". Für "infam"
halten die Potsdamer Genossen, dass Lafontaine ausgerechnet den vor zehn
Jahren verunglückten Michael Schumann für seine Zwecke nutzt.
## "Der öffentliche Eindruck ist fatal"
Schumann gilt als Architekt der pragmatischen PDS. Den Text unterschrieben
unter anderem Finanzminister Helmut Markov und Fraktionschefin Kerstin
Kaiser, die sich sonst aus den innerparteilichen Grabenkämpfen eher
heraushalten. Die Brandenburger Linken attestieren dem Ex-SPD-Mann
Lafontaine sogar "Geschichtsrevisionismus". Die Wahrheit dürfte sein, was
auch für Parteichef Klaus Ernst und viele Ex-SPD-Leute aus dem Westen gilt,
die heute die Linkspartei führen: Die Auseinandersetzung mit der SED - für
die Ostgenossen Kern ihrer politischen Identität - ist ihnen bestenfalls
lästig.
Der Fraktionsvorsitzende der thüringischen Linkspartei, Bodo Ramelow, der
aus dem Westen stammt, bezeichnete die schroffe Reaktion der Brandenburger
als "ein bisschen überzogen, aber verständlich". Der Realosozialismus sei
für Lafontaine noch immer "eine fremde Welt", sagte Ramelow der taz. Aber:
"Auch Westlinke müssen beantworten, ob die Linken nur demokratisch sind,
bis sie an der Macht sind." Auch in einem anderen Fall kämpfen West- und
Ostlinke mit harten Bandagen - und zum ungünstigen Zeitpunkt. Am 4.
September wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Nun wurde bekannt, dass
Landeschef Steffen Bockhahn vor ein paar Wochen eine Einladung des
Linkenchefs Klaus Ernst abgelehnt hat, ihn auf seiner Sommertour zu
begleiten - wegen politischer Differenzen. "Der öffentliche Eindruck ist
fatal", so Bockhahn.
Veröffentlicht hatte die internen Mails die junge welt, Kampfblatt der
Fundis. Ostpragmatiker argwöhnen, dass es kein Zufall ist, dass der Zwist
ausgerechnet jetzt publik wird - ein mieses Abschneiden der Schweriner
Linkspartei könnte manchem im Westen gefallen. Als Beweis dafür, dass nur
der Fundi-Kurs beim Wahlvolk ankommt. Pragmatiker Bockhahn will Mitte
August wieder zum Landeschef gewählt werden.
1 Aug 2011
## LINKS
[1] http://www.neues-deutschland.de/artikel/201944.nicht-die-partei-sondern-das…
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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