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# taz.de -- Grundsatzprogramm der Linkspartei: Schlagende Flügel
> Mit ihrem ersten Grundsatzprogramm will die Linke aus der Krise kommen.
> Doch die inhaltlichen Gräben sind tief.
Bild: Stellen das Programm Journalisten vor: Klaus Ernst und Gesine Lötzsch.
BERLIN taz | Von einer Spaltung ihrer Partei zwischen Ost und West,
zwischen Realos und Fundis will Gesine Lötzsch nichts wissen. "Wir leben in
einem Land, warum sollten wir keine einheitliche linke Partei zustande
bekommen", sagte die Parteichefin am Montag. Da stellte sie mit ihrem
Ko-Chef Klaus Ernst den Entwurf für das erste Grundsatzprogramm ihrer
Partei vor. Der Vorstand hatten ihn schon vor gut einer Woche mit großer
Mehrheit verabschiedet.
Das Spitzenduo will aus der Defensive und nach Monaten quälender
Führungsdebatten und interner Flügelkämpfe mit Inhalten punkten. Die
Alternative, für die ihre Partei werbe, sei der demokratische Sozialismus,
sagte Lötzsch.
Eine solidarische Gemeinschaft, in der sich die Interessen der Wirtschaft
denen der Menschen unterordnen. So sollen Banken verstaatlicht und die
Rente mit 67 abgeschafft werden. Für Gesundheit und Pflege will die Partei
eine solidarische Bürgerversicherung.
Ernst ergänzte, dass der Entwurf die "Antworten auf die Krisen der
Gegenwart" gebe. Er trete für Mindestlöhne, ein gerechteres Steuersystem,
für mehr Bürgerbeteiligung und konsequente Friedenspolitik ein.
## "Meilenstein für das Zusammenwachsen"
An vielen Stellen trägt der Text noch immer die klassenkämpferische
Handschrift des früheren Parteichefs Oskar Lafontaine. Mit klaren
Haltelinien für mögliche Regierungsbeteiligungen. "Der Entwurf ist ein
Meilenstein für das Zusammenwachsen unserer Partei", sagte Ernst
triumphierend.
Angesichts der heftigen internen Auseinandersetzungen der vergangenen
Wochen und Monate klang das beinahe beschwörend. Denn spätestens mit der
Antisemitismusdebatte sind die Flügelkämpfe zwischen Ost-Realos und
West-Fundis erneut ausgebrochen, von einer gemeinsamen Idee ist derzeit
kaum etwas zu spüren. Waren bis zum Frühjahr vor allem die Parteichefs in
der Kritik, scheint die Krise jetzt auf die Fraktion übergesprungen zu
sein.
Fraktionschef Gregor Gysi, dem es sonst noch immer gelungen war, die Flügel
am zu heftigen Schlagen zu hindern, wollte die Debatte um die Haltung zu
Israel durch Fraktionsbeschlüsse beenden, bevor sie begonnen hatte. Sein
Plan ging nicht auf. Selten wurde in Fraktionssitzungen so emotional,
persönlich und lautstark gestritten, selten bekam selbst Gysi Kritik derart
zu spüren. An seiner Autorität zweifelt aber derzeit kaum jemand. Ohne ihn
wäre alles noch viel schlimmer, so die verbreitete Meinung in der Partei.
## Gysi ist möglicher Spitzenkandidat
Trotz aller Kritik stärken die Reformer Gysi den Rücken. "Er ist völlig
unumstritten", sagt der Bundestagsabgeordnete Jan Korte. Er solle die
Partei auch als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führen, die 2013
ansteht, denn "er ist zurzeit der Einzige, der es kann".
Die Partei wird jetzt weiter um den Programmentwurf ringen. Bis zum
Parteitag im Oktober, auf dem die Delegierten den Entwurf des
Parteivorstands abstimmen werden, sind weitere Änderungsanträge möglich.
Bis Jahresende sollen dann alle Parteimitglieder in einer Urabstimmung das
Programm absegnen. "Das ist dann der Schlusspunkt unserer Gründungsphase",
erklärte Parteichefin Lötzsch am Montag.
Die Partei steht vor wichtigen Herausforderungen. Im September wird in
Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gewählt. Die Umfragewerte können die
Genossen nicht zufriedenstellen. Dass in ihrer Partei derzeit nicht alles
zum Besten steht, weiß auch Gesine Lötzsch. "Nach einem stürmischen
Aufstieg erleben wir jetzt die Mühen der Ebene", sagte sie am Montag. Es
war der einzige Moment, in dem kritische Töne durchklangen.
11 Jul 2011
## AUTOREN
Paul Wrusch
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