# taz.de -- Ungarns Opposition weiter unter Druck: Sozialdemokraten sollen hint… | |
> Der nationalkonservative ungarische Premier Viktor Orbán will seine | |
> Vorgängerregierungen wegen ihrer Politik belangen. Notfalls werden | |
> Gesetze geändert. | |
Bild: Will die Premiers seiner sozialdemokratischen Vorgängerregierungen einsp… | |
WIEN taz | Mit Gesetzen, die Schuldenpolitik rückwirkend zum Verbrechen | |
machen, will Ungarns Premier Viktor Orbán von der nationalkonservativen | |
Bürgerunion Fidesz seine sozialdemokratischen Vorgänger ins Gefängnis | |
bringen. Er beauftragte seinen Gefolgsmann, den Abgeordneten Péter | |
Szíjjártó, die Sache juristisch zu lösen. | |
Szíjjártó eröffnete der Presse am Montag, dass "der zuständige | |
Parlamentsausschuss prüfen soll, ob und wie es die geltenden Gesetze | |
erlauben, diejenigen zu identifizieren, die verantwortlich für das | |
ungarische Haushaltsdefizit sind und ob man sie dafür zur Rechenschaft | |
ziehen kann". | |
Nach dem Regierungswechsel im Sommer 2010 hatte Orbán mit Gyula Budai einen | |
Sonderkommissar eingesetzt, dessen Aufgabe es ist, die abgewählten | |
Sozialdemokraten an den Pranger zu stellen. Einige ehemalige | |
Staatssekretäre wurde wegen der zu billigen Übernahme von | |
Ministeriumswohnungen bestraft, Exmanager von Staatsbetrieben und | |
Bezirkspolitiker sind wegen Korruption, Untreue oder Amtsmissbrauch | |
verurteilt worden oder stehen vor Gericht. | |
Jetzt geht es darum, die ehemaligen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy, | |
Ferenc Gyurcsány und Gordon Bajnai für die Wirtschaftskrise strafrechtlich | |
verantwortlich zu machen. In den acht Jahren der MSZP-geführten Regierungen | |
von 2002 bis 2010 sei die Staatsverschuldung von 53 auf 82 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. | |
## Abenteuerliche juristische Konstruktion | |
Dafür müssten die verantwortlichen Premiers und deren Finanzminister zur | |
Rechenschaft gezogen werden, so die Argumentation. Sollten die Gesetze | |
nicht ausreichen, würde Fidesz mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament | |
neue Gesetze schaffen, drohte Szíjjártó. | |
Dass in demokratischen Ländern Strafgesetze nicht für Taten vor deren | |
Inkrafttreten gelten können, war dem Abgeordneten neu. Dass die | |
Schuldenpolitik durch Gesetze aus der ersten Regierung Viktor Orbáns | |
(1998-2002) erst in diesem Ausmaß ermöglicht und durch die Blockadepolitik | |
der Fidesz-Opposition gegen Reformvorhaben der Sozialdemokraten gefördert | |
wurde, macht die Konstruktion juristisch noch abenteuerlicher. | |
Paul Lendvai, österreichischer Journalist und gebürtiger Ungar, glaubt, | |
dass das Vorhaben zunächst ein Schuss vor den Bug der Sozialdemokraten sei. | |
Besonderen Groll hegt Orbán gegen Ferenc Gyurcsány, der ein politisches | |
Comeback versucht. | |
Ex-EU-Parlamentspräsident Elmar Brok äußerte sich vorsichtig kritisch. | |
Regionalkommissar Johannes Hahn klang zurückhaltend bestürzt: "Das wird | |
genau geprüft werden." Für die österreichische Grünen-Abgeordnete Ulrike | |
Lunacek zeigen sich in Ungarn "Parallelen zu Diktaturen". | |
2 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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