# taz.de -- Kommentar Ungarns EU-Präsidentschaft: Ende einer Zwangsehe | |
> Die Regierung Orbán muss sich nicht mehr verstellen. Nach dem Ende ihrer | |
> Ratspräsidentschaft wird sie härter durchgreifen. Doch auch die EU muss | |
> jetzt endlich handeln. | |
Bild: Hetzen um jeden Preis: Minister János Lázár | |
Der "peinliche diplomatische Zufall" ist ohne größeren Schaden überstanden, | |
stellt man in diesen Tagen in Brüssel und Budapest fest. So nannte die | |
englische Presse vor einem halben Jahr die Tatsache, dass Ungarn just dann | |
zum ersten mal die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, als die Regierung | |
des Landes sich anschickte, die Demokratie abzubauen. | |
Budapest stand plötzlich im europäischen Rampenlicht. Das störte die | |
rechtsgerichtete Regierung von Viktor Orbán bei der Entfaltung ihrer | |
selbstverliebten und revolutionären Politik, einiges musste verschoben, das | |
Mediengesetz nach all der Kritik etwas abgemildert werden. | |
Gleichzeitig waren den Einflussmöglichkeiten der europäischen Institutionen | |
enge Grenzen gesetzt. Man beschloss, Ungarn die Rolle des Ratspräsidenten | |
nicht zu nehmen, und so mussten alle zusammenarbeiten. Zwar wurde der | |
einzige ungarische Gipfel mit richtiger Starbesetzung abgesagt, ansonsten | |
machten alle gute Miene zum bösen Spiel. | |
Seit Donnerstag ist die peinliche Zwangsehe zwischen der Union und ihrem | |
ungeliebten Ratspräsidenten beendet: Wie passend, dass gerade ab jetzt die | |
ungarischen Zeitungen nach vage formulierten Vorschriften bestraft werden | |
können und dadurch existentiell bedroht sind. | |
Die Regierung in Budapest will in den kommenden Monaten ihre politischen | |
Positionen so tief im Gesetzbuch verankern, dass die Hände der | |
nachfolgenden Regierungen gebunden sind. Das sagte laut und verständlich | |
Premier Orbán persönlich. Man darf in der Zukunft noch mehr Ehrlichkeit von | |
der Regierung erwarten. Sie wird sich für Europa nicht mehr verstellen. | |
Auf der anderen Seite dürften auch die europäischen Instutionen ehrlicher | |
werden. Der slowenische Premier Borut Pahor sagte Ende Mai im vertraulichen | |
Gespräch, sobald die Ratpräsidentschaft übergeben worden sei, werde Ungarn | |
innerhalb der Union so umgehend wie umfassend isoliert. Die Orbán-Regierung | |
hätte dies sicherlich verdient; hoffentlich ist es auch wirksamer als die | |
nachsichtige Diplomatie, die Brüssel bisher gegenüber Budapest gezeigt hat. | |
30 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Gergely Márton | |
## TAGS | |
Ungarn | |
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