# taz.de -- Regierungstruppen übernehmen Kontrolle: Islamisten aus Mogadischu … | |
> Die Shabaab-Milizen sind auf dem Rückzug aus der Hauptstadt. Mogadischu | |
> wird von der Regierung kontrolliert. Aber nun plündern Armeeangehörige | |
> die Bevölkerung aus. | |
Bild: Somalische Regierungstruppen patroullieren in einem Vorort Mogadischus. | |
BERLIN taz | Die international anerkannte Übergangsregierung von Somalia | |
hat einen wichtigen Erfolg im Kampf gegen die islamistischen | |
Shabaab-Milizen errungen. Wie beide Seiten am Samstag bestätigten, haben | |
sich die Shabaab-Kämpfer komplett aus der Hauptstadt Mogadischu | |
zurückgezogen. Seit drei Jahren hatten die radikalen Islamisten mit den | |
wechselnden vom Ausland unterstützten Übergangsregierungen um Mogadischu | |
gekämpft und standen mehrmals kurz vor dem Sieg. Jetzt hat eine rund | |
zehntägige Großoffensive der Somalia-Eingreiftruppe der Afrikanischen Union | |
(Amisom), die aus 9.000 ugandischen und burundischen Soldaten besteht, die | |
Wende gebracht. | |
"Somalische Regierungstruppen haben mit Unterstützung von Amisom den Feind | |
geschlagen", sagte Präsident Sharif Sheikh Ahmed auf einer Pressekonferenz | |
in seinem Präsidentenpalast in Mogadischu. Die Shabaab sprachen von einem | |
"taktischen Rückzug" nach Süden. "Wir kommen wieder", warnte | |
Shabaab-Sprecher Sheikh Ali Mohamud Rage im Rundfunksender der Miliz. Der | |
Kampf gegen Amisom und ihre französischen und amerikanischen Unterstützer | |
werde weitergehen. | |
Nach wie vor kontrolliert die Regierung kein Territorium außerhalb | |
Mogadischus, während fast ganz Südsomalia unter Shabaab-Kontrolle steht. | |
Medien in Mogadischu berichteten von schweren Kämpfen am Freitag, bevor die | |
Islamisten in der Nacht auf Fahrzeugkolonnen den geordneten Rückzug | |
einleiteten. Regierungssoldaten besetzten am Samstagmorgen den bisher von | |
den Shabaab gehaltenen Bakara-Markt, Mogadischus Großmarkt und wichtigste | |
Einnahmequelle der Stadt. | |
Sollte in Mogadischu jetzt Ruhe einkehren, wäre das eine große | |
Erleichterung für die bis zu zwei Millionen Einwohner. Frieden erlebten sie | |
zuletzt 2006, als die Islamisten ein halbes Jahr regierten, bevor eine | |
äthiopische Militärintervention sie vertrieb. Ihr Präsident war damals der | |
gleiche Sharif Sheikh Ahmed, der heute für die Gegenseite die Regierung | |
führt. In den vergangenen Jahren hatten die Kämpfe zwischen Islamisten und | |
regierungstreuen Truppen in Mogadischu tausende Tote gefordert. In den | |
letzten Wochen sind zudem 100.000 Hungerflüchtlinge in die Stadt geströmt. | |
## Lebensmittellieferung geplündert und Hungernde erschossen | |
Der Abzug der Shabaab aus Mogadischu garantiert allerdings noch keine | |
Sicherheit. Die Regierung gilt als korrupt, ihre von EU-Ausbildern in | |
Uganda trainierte Armee als undiszipliniert. Erst am Freitag stürmten | |
Regierungstruppen eine Lebensmittelverteilung des | |
UN-Welternährungsprogramms (WFP) im Flüchtlingslager Badbaado in | |
Mogadischu, plünderten zwei der zehn Lastwagen und erschossen mindestens | |
zehn protestierende Hungernde. Die gesamten 290 Tonnen Hilfsgüter wurden | |
laut WFP geplündert. Die Verteilung hatte ein lokales Hilfswerk im | |
UN-Auftrag geleistet. Seit Beginn der Militäroffensive gegen die Shabaab | |
dürfen UN-Mitarbeiter ihr Gelände in Mogadischu nicht mehr verlassen. | |
Wenige Tage zuvor hatten lokale Medien gemeldet, ein Regierungssoldat habe | |
einen Minibusfahrer erschossen, weil dieser ihn beim Fahren durch ein mit | |
Regenwasser gefülltes Schlagloch nass gespritzt hatte. Und bei der | |
Eroberung des Baraka-Marktes töteten Regierungstruppen den | |
Radiojournalisten Farah Hassan Sahal, wie "Reporter ohne Grenzen" (RSF) am | |
Samstag bekanntgab. Dem 45-Jährigen wurde laut RSF vor dem Eingang seines | |
Senders Radio Simba in der Nähe des Marktes in Kopf und Brust geschossen. | |
Man habe zwei Feinde: die Shabaab, aber auch die eigenen Soldaten, die als | |
"Banditen" die Bevölkerung ausraubten, gestand Premierminister Aweli | |
Mohamed Ali auf der Siegespressekonferenz am Samstag. Zuvor hatte er den | |
Schauplatz des Massakers vom Freitag besucht und strenge Bestrafung der | |
Verantwortlichen versprochen. Aber die Übergangsregierung hat dafür keine | |
funktionierenden Institutionen. | |
7 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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