# taz.de -- Hungersnot in Somalia: Hilfsgüter trotz islamistischen Terrors | |
> Das UN-Welternährungsprogramm ist in Somalia nicht sehr erfolgreich. | |
> Andere Hilfsorganisationen erreichen auch Gebiete, die von islamistischen | |
> Milizen kontrolliert werden. | |
Bild: Essenszuteilung des UN-Hilfswerks in Mogadischu. | |
NAIROBI taz | Internationale Helfer versuchen weiterhin, die Hungernden in | |
Somalia zu erreichen. Das UN-Welternährungsprogramm WFP verhandelt auch mit | |
gemäßigten Islamisten um Zugang zu den Hungergebieten. Bisher hat es damit | |
keinen Erfolg gehabt. Nach Angaben der UNO sind deshalb noch immer rund | |
zwei Millionen Menschen von Hilfe abgeschnitten. Währenddessen will das | |
Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) mehr als eine Million | |
dieser Hungernden erreichen. | |
Die Rot-Kreuz-Helfer erklärten, sie hätten anders als das WFP auch zu den | |
Gebieten Zugang, die von der islamistischen Shabaab-Miliz kontrolliert | |
werden. Allerdings hat das IKRK nicht genug Hilfsgüter und bittet um | |
Spenden. Auf die WFP-Vorräte will es derweil nicht zurückgreifen. "Wir sind | |
eine neutrale Organisation", sagte IKRK-Präsident Jakob Kellenberger in | |
Genf. Deshalb könne es nicht im Auftrag anderer Organisationen deren | |
Lebensmittel verteilen. Das IKRK arbeitet mit lokalen Partnern, vor allem | |
dem Roten Halbmond. Dadurch habe es Zugang zu allen Gebieten Somalias, ohne | |
an die Shabaab "Steuern" oder andere Abgaben zahlen zu müssen, sagte | |
Kellenberger. | |
Es ist also durchaus möglich, im Shabaab-Gebiet Hungerhilfe zu leisten. | |
"Manchmal muss man möglichst unauffällig arbeiten", sagt Sharifa Omar | |
Abukar vom somalischen Hilfswerk "Daryeel Bulsho Guud" (DBG - Hilfe für | |
alle), Partner der deutschen Diakonie Katastrophenhilfe. "Viele Mitglieder | |
der Shabaab können weder lesen noch schreiben. Wenn sie auf einem Auto ein | |
Logo sehen, wissen sie nicht, ob das für eine UN-Organisation steht oder | |
für eine andere, die sie akzeptieren." Deshalb arbeiten die Helfer von DBG | |
mit unauffälligen Autos ohne Logo. | |
## Kopfschuss während des Abendgebets | |
Trotzdem bleibt ein tödliches Risiko: Zwei DBG-Mitarbeiter wurden von | |
Islamisten hingerichtet, einer per Kopfschuss aus kurzer Distanz - dabei | |
war er selber Muslim und zum Zeitpunkt des Attentats dabei, die rituellen | |
Waschungen vor dem Abendgebet zu vollziehen. Trotz des Mordes sind Sharifa | |
und ihre Kollegen nicht geflohen und arbeiten bis heute weiter, auch im | |
Gebiet der Shabaab. | |
Bevor DBG-Direktor Omar Olad seine Mitarbeiter in islamistisch | |
kontrollierte Gebiete schickt oder selbst dorthin fährt, ruft er die | |
Shabaab an, spricht sich ab, meldet sein Kommen. "Sie kennen uns. Sie | |
wissen, dass wir unparteiisch sind, absolut neutral. Ich kenne viele von | |
ihnen, und sie wissen, dass wir keine politischen Ziele haben." | |
Aber das Risiko bliebt hoch. Was den Helfern als Parteinahme für die von | |
den Islamisten bekämpfte Regierung ausgelegt werden könnte, kann tödlich | |
sein. Unter diesen schwierigen Umständen aber schaffen es auch andere | |
Organisationen, mit westlichem Geld in Somalia zu helfen: Die irische | |
Organisation Concern zum Beispiel ist seit 25 Jahren vor Ort. "Unsere | |
Mitarbeiter vor Ort sind alles Somalier", sagt Austin Keenan, die für | |
Ostafrika zuständig ist. "Sie haben immer schon dort gelebt und gearbeitet, | |
sie kennen die Bedürfnisse genau und wissen, wie sie arbeiten können." Weil | |
sie auf Neutralität größten Wert legen, können sogar christliche | |
Organisationen wie "Norwegian Church Aid" oder eben DBG bei den Islamisten | |
arbeiten. | |
5 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Bettina Rühl | |
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