# taz.de -- Exportindustrie will Eurobonds: Angst vor einer "Spirale nach unten" | |
> Die deutsche Exportwirtschaft befürwortet europäische Staatsanleihen. Sie | |
> stellt sich damit gegen das offizielle Nein zu Eurobonds der | |
> Bundesregierung. | |
Bild: Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbands, ist für Eurobonds. | |
BERLIN taz | Sosehr sich die Bundesregierung zumindest nach offizieller | |
Lesart vehement gegen die Einführung von Eurobonds sträubt - die deutsche | |
Exportindustrie macht Druck. Erstmals hat sich der Präsident des | |
Außenhandelsverbandes (BGA), Anton Börner, für gemeinsame europäische | |
Staatsanleihen ausgesprochen. Eurobonds müssten so schnell wie möglich | |
vereinbart werden, sagte Börner in einem Interview mit der | |
Nachrichtenagentur Reuters. "Sofort, am besten morgen.", | |
Dass nun mit Börner der Chef einer der wichtigsten deutschen | |
Wirtschaftsverbände vorprescht und sich damit ganz offen gegen die | |
schwarz-gelbe Regierungskoalition wendet, kommt nicht von ungefähr. Die | |
deutsche Exportindustrie weiß: Finden die 17 Euroländer zu keiner Einigung | |
und die Eurozone zerbricht, wären die exportbesessenen Unternehmen in | |
Deutschland am ärgsten betroffen. | |
Wegen der strengen Geldpolitik der Bundesbank und der vergleichbar stabilen | |
Wirtschaftslage Deutschlands würde eine wiedereingeführte D-Mark sofort | |
massiv in die Höhe schießen, vor allem gegenüber den neuen europäischen | |
Währungen in Südeuropa und dem Dollar. Deutsche Waren im Ausland wären mit | |
einem Schlag erheblich teurer, die Nachfrage würde entsprechend drastisch | |
einbrechen. | |
Experten gehen davon aus, dass bei einer dann zu erwartenden Aufwertung von | |
20 Prozent die deutschen Exporte um 8 bis 10 Prozent zurückgehen würden – | |
dauerhaft. | |
## Starke Franken | |
Was das bedeutet, erlebt derzeit die Schweiz. Wegen des starken Franken | |
müssen viele Schweizer Unternehmen um ihre wirtschaftliche Existenz bangen. | |
Erstmals erwägen die Eidgenossen ernsthaft, den Franken fest an den Euro zu | |
koppeln. | |
Börner befürchtet, dass deutsche Unternehmen in eine ähnliche Situation | |
geraten könnten. Entsprechend heftig wettert er gegen die störrische | |
Haltung der Bundesregierung bei den Eurobonds. Die Märkte würden massiv | |
gegen Italien vorgehen, als Nächstes wäre Frankreich dran, und dann würde | |
auch Deutschland dran glauben müssen. "Das ist eine Spirale nach unten", | |
sagte Börner. | |
Andere Wirtschaftsverbände halten sich bislang weitgehend bedeckt. Der | |
Verband der chemischen Industrie sowie der Verband der deutschen | |
Automobilindustrie verweisen auf Abstimmungsschwierigkeiten in der | |
Ferienzeit. Und der Bund der Industrie (BDI) möchte offiziell keine | |
Stellung beziehen. Doch auch beim BDI gibt es Stimmen, die sich für | |
Eurobonds aussprechen. | |
## DIHK gegen Eurobonds | |
"Es gibt Alternativen, von denen wir allerdings glauben, dass sie im | |
Zweifelsfall noch teurer werden", heißt es dort. Der Vorsitzende des | |
Mittelstandsverbandes, Mario Ohoven, plädierte ganz offen für Eurobonds - | |
allerdings mit beschränkter Haftung. Das heißt: Jedes Land haftet nur für | |
den auf ihn entfallenden Anteil der Anleihen. Einzig der Deutsche | |
Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sprach sich eindeutig gegen eine | |
gemeinsame europäische Staatsanleihe aus. | |
Wie es sich für einen arbeitgebernahen Verband gehört, sieht auch der | |
Vorstoß des Außenhandelspräsidenten Bedingungen vor, die Länder bei Hilfen | |
über Eurobonds zu erfüllen haben. | |
Börner fordert etwa die Aufnahme einer Schuldenbremse in der Verfassung, | |
die betroffenen Länder müssten ihre Arbeitsmärkte flexibilisieren sowie die | |
Verwaltung modernisieren und massiv in Ausbildung und Bildung investieren. | |
Wer diese Auflagen breche, habe Konsequenzen zu tragen, die bis zu einem | |
Ausschluss aus der Eurozone reichten. | |
Eine Volumenbegrenzung für Eurobonds dürfe es aber nicht geben, betont | |
Börner. Andernfalls würde das nur neue Spekulationen bei den Investoren | |
auslösen. | |
17 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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