# taz.de -- Kommentar Europäische Schuldenbremse: Merkels Beruhigungspille | |
> Angela Merkel konnte sich mit ihrer Forderung nach einer Schuldenbremse | |
> für die Eurostaaten durchsetzen. Aber es bleibt der Verdacht, dass es ihr | |
> vor allem um Innenpolitik ging. | |
Man muss der Kanzlerin zugutehalten, dass sie davor gewarnt hat, sich von | |
ihrem Treffen mit Frankreichs Präsidenten Sarkozy "einen Paukenschlag" zu | |
erwarten. In der Tat: Ein solcher ist es wirklich nicht geworden. | |
Das wichtigste Signal, das Angela Merkel mit der Einigung an ihre nervöse | |
schwarz-gelbe Koalition sendet, ist dieses: Schuldenbremse für alle | |
Eurostaaten! Die Schuldenbremse gilt hierzulande parteiübergreifend als | |
eine Art Wundermittel vorausschauender Haushaltsdisziplin. Damit scheint | |
sich die Kanzlerin voll und ganz durchgesetzt zu haben. Doch dieser Sieg | |
ist wenig wert. | |
Selbst wenn man beiseitelässt, dass ihr Nutzen zweifelhaft ist, weil sie | |
oft sinnvolle Investitionen und politisches Handeln beschneidet: Es ist | |
eine irrwitzige Idee, diese Daumenschraube innerhalb eines Jahres in die | |
Verfassungen von 17 Eurostaaten schreiben zu wollen. Allein deshalb, weil | |
die Regierungen sie politisch völlig unterschiedlich bewerten und | |
keinesfalls freudig mitziehen werden. Sogar Sarkozys Zusage könnte schon | |
nächstes Jahr Makulatur sein, sollten die Sozialisten in Paris die Macht | |
übernehmen. | |
Auch die anderen Vorschläge des Pakets sind nicht gerade ambitioniert. Eine | |
- sehr sinnvolle - Finanztransaktionssteuer ist selbst für Konservative | |
kein mutiger Schritt mehr, seit die EU-Kommission diese vorantreibt. | |
Schwarz-Gelb hat die Einnahmen in die Finanzplanung des Bundes längst | |
einkalkuliert. Und die Idee einer - ebenfalls sinnvollen - gemeinsamen | |
Wirtschaftsregierung Europas bleibt wolkig. Sogar regelmäßige | |
Staatscheftreffen müssen da als innovative Neuerung herhalten. | |
Es bleibt der Verdacht, dass es Merkel bei dieser Verabredung vor allem um | |
Innenpolitik ging - um den Zustand ihrer Koalition. Das Ganze wirkt wie | |
eine Beruhigungspille für Schwarz-Gelb. | |
Die FDP ist so froh, dass Eurobonds ausgespart blieben, dass sie plötzlich | |
sogar die Finanztransaktionssteuer großartig findet. Doch die schwarz-gelbe | |
Autosuggestion, das Paket sei ein wichtiger Schritt für ein stabiles | |
Europa, wird nicht lange anhalten. Denn die größte Schwäche der Beschlüsse | |
ist, dass sie das Kernproblem umschiffen: Keine der Maßnahmen ist geeignet, | |
den Schuldenstaaten wirksam aus ihrem Dilemma zu helfen. | |
Merkel ist kein Sieg im Kampf gegen die Eurokrise gelungen - höchstens | |
einer im Kampf gegen den Zerfall ihrer schwarz-gelben Regierung. | |
17 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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