# taz.de -- Der 1. FFC Frankfurt nach der Frauen-WM: Keine Angst vor dem Trauma | |
> Vor dem Start der Frauenfußball-Bundesliga hofft vor allem der 1. FFC | |
> Frankfurt von der WM-Euphorie zu profitieren. Der Klub hat sich verstärkt | |
> – und steht stark unter Druck. | |
Bild: Kim Kulig (links) und Fatmire Bajramaj (ganz rechts) sollen beim FFC für… | |
BERLIN taz | Keine zehn Dauerkarten hat der Erstligist USV Jena vor dem | |
Saisonauftakt an diesem Wochenende verkauft. Die viel beschworene neue | |
Euphorie um den Frauenfußball schlägt sich – wie auch an den meisten | |
anderen Bundesligastandorten – zumindest nicht im Absatz von Abos nieder. | |
Und auch sonst deutet derzeit fast alles darauf hin, dass die vor fünf | |
Wochen zu Ende gegangene Weltmeisterschaft und die deutsche Spitzenliga auf | |
Dauer doch zwei grundverschiedene Welten bleiben, die kaum Einfluss | |
aufeinander nehmen. | |
Fast alles? Nun ja, beim 1. FFC Frankfurt bemüht man sich nach Kräften, das | |
Feuer auch auf kleiner Flamme weiter lodern zu lassen. "Wir sind davon | |
überzeugt, dass die Begeisterung der WM auch bei unseren Heimspielen im | |
Stadion am Brentanobad ankommt, und rechnen schon am Sonntag mit einer | |
tollen Kulisse von über 2.500 Zuschauern", verkündete Siegfried Dietrich, | |
der Manager des Vereins, vor der Heimpartie gegen SG Essen-Schönebeck. Der | |
Branchenführer ist eine Ausnahme: Der 1. FFC kann im Unterschied zu den | |
meisten Liga-Konkurrenten schon vor dem ersten Spiel stolze Ergebnisse | |
vorweisen. Mit 700 verkauften Dauerkarten verdoppelte man den | |
Vorjahreswert. Obwohl mit Essen-Schönebeck nur der Neunte der vergangenen | |
Saison kommt, einigte sich der Verein mit dem Hessischen Rundfunk (HR) | |
bereits für die Saisonpremiere auf eine Liveübertragung im Fernsehen. Die | |
an diesem Wochenende als "hochkarätig" gepriesene Gästeliste im Stadion | |
führt zuoberst Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, | |
an. Und die darauffolgende Heimpartie gegen Jena wurde für den HR bereits | |
verlegt. | |
## Kim Kulig und Fatime Bajramaj | |
Der 1. FFC Frankfurt hat bereits in seinen langfristigen Planungen die | |
WM-Euphorie mit einkalkuliert. Es ist kein Zufall, dass der Klub bereits | |
vor dem Turnier mit Kim Kulig und Fatmire Bajramaj die beiden | |
vielversprechendsten deutschen Fußballerinnen unter Vertrag nahm. Mit der | |
Verpflichtung der japanischen Weltmeisterin Saki Kumagai bewies der Klub | |
einen guten Instinkt. Außerdem erweiterte man das Ensemble um eine | |
neuseeländische und eine schweizerische Nationalspielerin. Die | |
Rückholaktion der amerikanischen Nationalspielerin Alexandra Krieger war | |
das letzte Ausrufezeichen, das der 1. FFC Frankfurt auf dem Transfermarkt | |
setzen konnte. Der Etat ist mit 1,7 Millionen Euro so hoch wie noch nie. | |
Siegfried Dietrich spricht von "einer kleinen Weltauswahl im sympathischen | |
Sinne". Der Klubvorsitzende Bodo Adler sagt: "Es ist der beste Kader, den | |
wir jemals hatten." Und die von Turbine Potsdam gekommene Fatmire Bajramaj | |
stellte klar: "Der Kader ist stark genug, um alles zu gewinnen." Der Druck, | |
den man sich auch intern macht, erinnert an die hohe Erwartungshaltung, mit | |
der die deutschen Nationalspielerinnen bei der WM zurechtkommen mussten. | |
Sechs Frankfurterinnen aus dem jetzigen Kader waren im Sommer dabei. Haben | |
sie das Trauma des vorzeitigen Scheiterns überhaupt schon überwunden? | |
Dietrich ist überzeugt davon. Er sagt: "Die Enttäuschung kann man mit | |
Erfolgserlebnissen vertreiben. Ich sehe das eher als Vorteil." Er hat keine | |
Angst vor einem erneuten Favoritensturz. | |
## Potsdam, Duisburg, Wolfsburg | |
Auf dem Weg zum ersten deutschen Meistertitel nach drei Jahren der | |
Erfolgslosigkeit rechnet Dietrich dennoch mit erheblichen Widerständen: "Es | |
wird enger." Neben den üblichen Konkurrenten aus Potsdam und Duisburg zählt | |
er diese Saison noch den VfL Wolfsburg zu den härtesten Widersachern. | |
Dieser habe sich gut verstärkt. Zu sehr will der Manager sein Team dann | |
doch nicht unter Druck setzen. Trainer Sven Kahlert bevorzugt im | |
Unterschied zu Dietrich eher die leisen Töne. Er mahnt: "Bei all den | |
Zugängen darf man nicht vergessen, dass diese Saison Birgit Prinz und Conny | |
Pohlers, die vergangene Spielzeit zusammen 48 Tore erzielt haben, nicht | |
mehr dabei sind." Überdies wird Kim Kulig, die sich im WM-Viertelfinale | |
einen Kreuzbandriss zuzog, frühstens in der Rückrunde spielen können. | |
Der breite Kader aus 13 Nationalspielerinnen könnte indes zu teaminternen | |
Reibereien führen. Kahler weiß um das Problem. Im Trainingslager in Polen | |
hat er es "offensiv angesprochen", wie er betont. Er hat seinen | |
Spielerinnen erklärt, dass bei möglicherweise 24 Partien in den nächsten | |
vier Monaten immer mal wieder eine zum Verschnaufen aussetzen werde. Er | |
werde das in Vorabgesprächen den Betroffenen jeweils mitteilen. "Ich habe | |
allen gesagt, dass keine das als Kritik an ihrer Leistung verstehen darf." | |
Auch wenn Manager Dietrich hervorhebt, der Verein würde seine Arbeit auf | |
den langfristigen Erfolg ausrichten, weshalb er jüngst seinen Vertrag bis | |
2015 verlängert hätte, ist rund um Frankfurt spürbar: Der Klub will für | |
seine langjährigen Investitionen schon im nächsten Sommer kräftig Rendite | |
einstreichen. Kann Kahlert erneut nur den DFB-Pokal gewinnen, könnte | |
Dietrich dies schon als Kündigungsgrund betrachten. | |
19 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
WM 2011 – Mixed Zone | |
Fußball | |
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