# taz.de -- Kommentar Rolle Deutschlands in Libyen: Westerwelle weiß, was zu t… | |
> Außenminister Westerwelle hat die Ziele für eine deutsche Libyen-Politik | |
> bereits abgesteckt. Aber wird das Realität? Die Erfahrungen mit der | |
> Tunesien-Politk sind nicht ermutigend. | |
Der absehbare Sturz des libyschen Diktators Gaddafi ist eine historische | |
Zäsur. Erstmals seit der Entlassung des Landes aus der italienischen | |
Kolonialabhängigkeit haben seine inzwischen 6,5 Millionen BürgerInnen die | |
Chance auf demokratische Selbstbestimmung. Für diese Ziele kämpfen, leiden | |
und sterben auch immer mehr Menschen in Syrien, in Bahrein, Saudi-Arabien, | |
Iran und den anderen Diktaturen Nordafrikas und des Nahen und Mittleren | |
Ostens. | |
Die Freude über das Ende dieser Diktatur gilt unbeschadet aller | |
berechtigten Kritik an der Kriegsführung der Nato. Und auch trotz der | |
Zweifel an den Motiven mancher libyscher Oppositionskräfte sowie an ihrer | |
Bereitschaft und Fähigkeit, sich zu einigen und das Land in eine | |
gewaltfreie, demokratische und für alle seine BewohnerInnen wirtschaftlich | |
auskömmliche Zukunft zu führen. | |
Was Deutschland allein und im Verbund mit seinen EU-Partnern zu diesem Ziel | |
beitragen könnte, hat Außenminister Guido Westerwelle bereits Ende Februar | |
in einer "programmatischen" Rede vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf | |
vorgetragen. Entschiedene Unterstützung der demokratischen Kräfte in | |
Libyen; Hilfe beim Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen; Stipendien und | |
Ausbildungsplätze für libysche Jugendliche; Investitionen deutscher | |
Unternehmen, die dauerhafte Arbeitsplätze in Libyen schaffen und dem Land | |
helfen, seine bislang fast ausschließlich auf den Export von Öl | |
konzentrierte Volkswirtschaft zu diversifizieren. | |
Wird all das auch die Realität der künftigen deutschen Außen-, Handels-und | |
Wirtschaftspolitik gegenüber Libyen bestimmen? Oder geht es - wie viele | |
Kritiker mit Blick auf die am Krieg beteiligten Nato-Staaten argwöhnen - | |
auch der deutschen Politik in erster Linie um mehr libysche Aufträge für | |
deutsche Unternehmen, um profitablere Bedingungen bei der Ausbeutung des | |
libyschen Öls und um die Umsetzung des milliardenschweren | |
Solarenergieprojekts Desertec in der libyschen Wüste? | |
Eines Projekts, das zwar nach Wegfall der Diktatur nicht mehr zur | |
Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen gegen die nomadische Bevölkerung | |
missbraucht werden kann, gegen das ansonsten aber bisherige Einwände | |
weiterhin gültig sind. | |
Die bisherigen Erfahrungen mit der deutschen Unterstützung für die | |
Demokratiekräfte in Tunesien sind nicht ermutigend. Und dies, obwohl die | |
Lage in Tunesien vergleichsweise einfacher ist und es weniger handfeste | |
wirtschaftliche Eigeninteressen Deutschlands und deutscher Unternehmen gibt | |
als in Libyen. Doch gerade weil Libyen, gemessen an den harten | |
wirtschaftlichen und (geostrategischen) Interessen, so viel bedeutsamer ist | |
als Tunesien, hätte ein Scheitern der Demokratiebewegung in Libyen oder gar | |
ein Bürgerkrieg weit schlimmere Auswirkungen. | |
Je stärker sich die Zivilgesellschaft an der Debatte über die Optionen der | |
künftigen deutschen Politik gegenüber Libyen beteiligt, desto größer sind | |
die Chancen, dass diese Politik auch wirklich den BürgerInnen dieses jetzt | |
von der Diktatur befreiten Landes zugute kommt. | |
22 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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