# taz.de -- Die Rolle Deutschlands in Libyen: Befangene Unterstützer | |
> Die deutsche Politik wirkt schon wieder überfordert von der Frage, was in | |
> Libyen zu tun ist. Die SPD fordert eine Stärkung der Vereinten Nationen. | |
Bild: Alles richtig gemacht, findet Außenminister Guido Westerwelle. | |
BERLIN taz | Die Schlacht um Tripolis war noch längst nicht entschieden, da | |
hatte die deutsche Libyen-Debatte am Montag bereits ihren ganz eigenen | |
Akzent. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte in | |
der Rheinischen Post, wenn die Bundeswehr um Beteiligung an einer | |
Libyen-Friedensmission gebeten werde, "werden wir das konstruktiv prüfen, | |
wie wir das immer tun". | |
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte dazu am Vormittag - noch immer | |
gab es aus Tripolis keine eindeutigen Nachrichten - vor der Presse: "Ich | |
schließe nicht aus, dass die Vereinten Nationen, wenn ein entsprechendes | |
Mandat beschlossen werden sollte, auch verschiedene Staaten nach etwas | |
fragen werden." Allerdings sei es für eine Debatte um einen | |
Bundeswehreinsatz in Libyen noch "zu früh". | |
Der Linken-Außenpolitiker Jan van Aken zeigte sich gegenüber der taz | |
verblüfft, dass zu diesem Zeitpunkt die Bundeswehr ins Spiel komme. "Ich | |
verstehe das überhaupt nicht", sagte van Aken. "Wer jetzt darüber redet, | |
die Bundeswehr nun doch nach Libyen zu schicken, geht offenbar davon aus, | |
dass der gesamte Einsatz der vergangenen Monate doch scheitert und eine | |
weitere Militärmission nötig wird." Sei denn nicht das Thema des Tages, | |
dass jetzt angeblich Frieden und Demokratie in Libyen möglich seien? | |
Doch in der Tat wirken die Hoffnungs- und Zuversichtsbezeugungen der | |
deutschen Außenpolitiker, dass in Libyen doch alles gut werden könne, | |
seltsam befangen. Die Ereignisse in Nordafrika scheinen insbesondere die | |
Bundesregierung erneut kalt zu erwischen - hat sie sich doch im März im | |
Sicherheitsrat enthalten, weil sie sich an eben dem Militäreinsatz, der nun | |
in eine Art Erfolg münden könnte, nicht beteiligen wollte. Dafür durchbrach | |
sie sogar die sonst stets so hochgehaltene Bündnissolidarität und setzte | |
sich von den USA, Großbritannien und Frankreich ab. | |
## Unnötig ins Abseits gestellt? | |
Westerwelle verteidigte die Enthaltung zwar auch am Montag - die Sanktionen | |
gegen Gaddafi hätten gewirkt, das Abschneiden von Nachschubwegen sei | |
entscheidend gewesen. Doch mit dieser Behauptung bekam er zuletzt selbst in | |
Koalitionsreihen keine Unterstützer. | |
Was nicht bedeutet, dass es SPD und Grünen seit den aufgeregten Tagen im | |
März gelungen wäre, eine auch nur im Ansatz konsistente Position zum Thema | |
Libyen zu formulieren. Quer durch die Reihen geht etwa weiterhin der | |
Streit, was ein Ja denn überhaupt bedeutet hätte. Hätten dann auch deutsche | |
Kampfflugzeuge aufsteigen müssen, oder hätten Frankreich und Großbritannien | |
auch ein weniger offensives Engagement akzeptiert? | |
Hätte es am Ende gereicht, ja zu sagen und dann das Gleiche zu tun wie | |
seither geschehen: Ersatzweise Awacs-Flieger nach Afghanistan zu schicken | |
und zu jedem Zeitpunkt Geld und Kooperation in Aussicht zu stellen? Hatte | |
sich die Bundesrepublik etwa unnötig ins bündnispolitische Abseits | |
gestellt? | |
Angesichts der Ereignisse in Tripolis sei es "verführerisch", sich zum | |
Rechthaber zu machen, erklärte Rolf Mützenich (SPD) der taz. Er wolle dies | |
aber nicht tun. Mützenich hatte einen Militäreinsatz an der Seite der | |
Bündnispartner eher befürwortet und sich damit in der SPD-Fraktion gegen | |
Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gestellt. | |
## Hoffen auf gemeinsames Vorgehen der EU | |
Deutschlands Zurückhaltung könne "nun dazu führen, dass die Bundesrepublik | |
nicht erster Ansprechpartner einer Übergangsregierung sein wird", sagte | |
Mützenich. Doch setze er ohnehin darauf, dass es jetzt ein gemeinsames | |
Vorgehen der Europäischen Union geben werde und dass die Bundesregierung | |
die EU-Außenbeauftragte "Catherine Ashton auch unterstützt und nicht nur | |
Forderungen stellt". | |
Um eine ähnlich konfuse und strittige Lage wie nach der UN-Resolution 1973 | |
zu verhindern, schlug Mützenich eine Debatte darüber vor, "was man den | |
Vereinten Nationen an die Hand geben muss, um Resolutionen selbst | |
umzusetzen". Denn die Resolution 1973 vom März sei von den am | |
Militäreinsatz beteiligten Staaten "nicht beachtet worden", das dürfe nicht | |
noch einmal passieren. "Die Vereinten Nationen müssen ein eigener Akteur | |
werden", sagte Mützenich, und dürften nicht auf die Nato angewiesen | |
bleiben, um das Konzept der "Schutzverantwortung" (responsibility to | |
protect) umzusetzen. | |
Auf diese "Schutzverantwortung", ein noch sehr junges völkerrechtliches | |
Konzept, mag Jan van Aken von der Linksfraktion weiterhin nicht vertrauen - | |
selbst wenn der explizit im Namen der "Schutzverantwortung" geführte | |
Libyeneinsatz in eine Demokratie münden sollte. | |
"Vielleicht in drei Monaten, wenn wir mehr wissen über die Entwicklung in | |
Libyen", sagte van Aken zur taz, werde er darüber diskutieren wollen, ob | |
der Einsatz als Erfolg zu bezeichnen sei. Doch gehe die Idee der | |
Schutzverantwortung davon aus, "dass es interessenfreie Entscheidungen in | |
der Außen- und Sicherheitspolitik geben könnte. Die gibt es aber nicht." | |
22 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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