# taz.de -- Blogger über Tripolis: „Bye bye Gaddafi“ | |
> Mission erfüllt? Von wegen! Auch nach der Einnahme großer Teile von | |
> Tripolis sehen internationale Blogger die wahren Probleme erst noch | |
> kommen. | |
Bild: Da ist er! Gaddafi am Bildschirm. | |
Tripolis fällt, Gaddafi soll auf der Flucht sein, aber: nichts Genaues weiß | |
man nicht. Das ist auch in der deutschen Blogosphäre so, die sich derzeit | |
in weiten Teilen mit Einschätzungen und Diagnosen zurückhält. Im Zweifel | |
wird auf Al-Jazeeras Liveblog oder aber auf Twitter-Korrespondenten vor Ort | |
verwiesen. | |
Das mag daran liegen, dass die deutsche Öffentlichkeit auf einem Auge blind | |
ist: dem des Fernsehens. Revolution will not be televised: Was bei Scott | |
Heron wie eine Mahnung klang, klingt heute nach Enttäuschung. Die deutschen | |
Nachrichtensender seien „einfach unbrauchbar“, schreibt beispielsweise | |
[1][Abassin Sidiq], dabei bräuchten die Rebellen gerade jetzt | |
Unterstützung: „Weltweit schauen Leute zu und weltweit fühlen die Leute mit | |
und sind genauso angespannt, wie es weitergeht. Es ist wichtig, dass | |
Journalisten vor Ort sind und auch zeigen, dass alles was passiert von | |
jedem Gesehen wird. Sie schützen damit auch die Rebellen.“ | |
Und auch im Online-Netzwerk Twitter brach sich die Enttäuschung Bahn, was | |
[2]["zeitweise“] zu der Feststellung Anlass gab, hier werde man wenigstens | |
präzise und brandaktuell“ informiert, „welche deutschen Medien gerade in | |
Sachen Libyen wo und wie versagen.“ Und das trotz der verfrühten | |
Todesmeldung, [3][die Al-Jazeera in die Welt gesetzt hatte.] Ein Wunder, | |
dass noch niemand die hunderste Petition zur Abschaffung der GEZ-Gebühren | |
aufgesetzt hat. | |
## „Leute mit Regierungserfahrung“ | |
Währenddessen [4][fragt sich Ulrich Ladurner,] was die Nato tun wird, | |
sollte es zu Racheakten der Rebellen an Zivilisten in Trioplis kommen. Es | |
sei bereits jetzt zu Übergriffen gekommen, aber bisher habe sich die Nato | |
stets darauf verlassen, dass der Übergangsrat die Situation unter Kontrolle | |
bekomme. Dabei werde man es nicht belassen können, wenn man die Bevölkerung | |
schützen wolle, so Ladurner. | |
Auch im US-Blog [5]["ComparativeConstitutions“] sieht in die Zukunft und | |
wirft einen Blick auf den Verfassungsentwurf der Rebellen. Tom Ginsbourgh | |
findet darin den „bewunderswerten“ Artikel, Mitglieder des Übergangsrates | |
oder sonstige momentan Verantwortliche von der Legislative fernzuhalten, | |
hält diesen Ansatz aber für utopisch: Denn man brauche, schreibt er, „Leute | |
mit Regierungserfahrung“. | |
In den USA und Großbritannien hat man die zögerliche Haltung zu den | |
Luftangriffen nicht vergessen. [6][John Tabin spekuliert,] dass Gaddafis | |
Sturz schon vor Monaten hätte vollzogen werden können, wenn Obama nicht | |
wochenlang gezaudert hätte. Noch im April hatte Leslie Gelb, Berater des | |
Weißen Hauses, prognostiziert: „Von Teheran bis Pjöngjang wird man nach | |
Libyen den Schluss ziehen, dass der Westen sie nicht entscheidend treffen | |
kann.“ | |
## Der schwierige Teil der Mission | |
Noah Shachtmann sammelt im [7]["Dangerroom]“ weitere einflussreiche | |
Stimmen, die einen Erfolg der Intervention für ausgeschlossen hielten. Und | |
[8]["order-order“ erinnert] an die Blockadehaltung, die Labour-Chef Ed | |
Miliband an den Tag gelegt hatte. Daran werde man sich erinnern müssen, | |
wenn Miliband in Siegerpose vor die Kameras trete. | |
Andernorts gehen die Überlegungen in die Zukunft. Der Fall Gaddafis wird | |
nicht ohne Auswirkungen bleiben, denn mindestens in Frankreich und in | |
Großbritannien knüpften Sarkozy und Cameron ihre politische | |
Daseinsberechtigung an den Erfolg der Mission in Libyen. [9][Sunny Hundal | |
befürchtet,] die Interventionisten könnten daraus eine umfassende Lehre | |
ziehen wollen und im Siegestaumel die Befreiung anderer Länder fordern – | |
beispielsweise Syriens. | |
Er mahnt, Libyen selbst nicht jetzt schon aus dem Blick zu verlieren: | |
„Cameron könnte wie damals Bush ein ‚Mission accomplished‘ vermelden, und | |
Libyen könnte instabiler und zerrissener als der Irak enden. Wenn wir etwas | |
aus unserer Erfahrung mitgenommen haben, dann das: der schwierige Teil der | |
Mission hat gerade erst begonnen.“ | |
Die BBC meldet indes: Anti-Gaddafi-Hacker hätten Libyens Hauptseite für die | |
Internetverwaltung gekapert. In der Tat [10][grüßen von dort] derzeit | |
libysche Rebellen mit den Worten „bye bye Gaddafi“. | |
22 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.mixblog.eu/2011/08/22/die-deutschen-nachrichtensender-zu-libyen-… | |
[2] http://twitter.com/#!/zeitweise/status/105411995385331712 | |
[3] http://larsreineke.de/2011/08/22/zur-nachrichtenlage/ | |
[4] http://blog.zeit.de/ladurnerulrich/2011/08/15/zivilisten-schutzen/ | |
[5] http://www.comparativeconstitutions.org/2011/08/thoughts-on-draft-transitio… | |
[6] http://spectator.org/blog/2011/08/21/gaddafis-end | |
[7] http://www.wired.com/dangerroom/2011/08/so-much-for-stalemate-libya/ | |
[8] http://order-order.com/2011/08/22/eds-attacks-didnt-fly/ | |
[9] http://liberalconspiracy.org/2011/08/22/does-gaddafis-end-in-libya-strength… | |
[10] http://nic.ly/ | |
## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
## TAGS | |
Islamismus | |
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