# taz.de -- Gewalt in Nigeria am Ende des Ramadan: Beten gegen den Terror | |
> Zum Ende des Ramadan tobt religiöse Gewalt zwischen Muslimen und Christen | |
> in der nigerianischen Stadt Jos. Kurz nach dem Anschlag auf die | |
> UN-Zentrale nährt das Angst. | |
Bild: Die Angst ist überall: Markt in Abuja, Hauptstadt Nigerias. | |
COTONOU taz | Ganz Nigeria wollte in dieser Woche feiern, ist doch der | |
Ramadan zu Ende gegangen und Eid al-Fitr – das riesige Fest zum Ende des | |
Fastenmonats – hat begonnen, ein Grund zum Jubeln. Doch wirklich freuen | |
kann sich niemand. Denn nach dem [1][Bombenanschlag auf das | |
UN-Hauptquartier] in der Hauptstadt Abuja am Freitag brennt es jetzt wieder | |
– in der nahen Millionenstadt Jos. | |
Dort sind seit Montag bei Gewalt zwischen Muslimen und Christen mindestens | |
13, vielleicht auch über 20 Menschen ums Leben gekommen, Ärzte behandeln | |
Dutzende Verletzte weiterhin in den Krankenhäusern. Mehr als 60 Autos und | |
Mopeds wurden angezündet. Bis zum späten Dienstagabend waren Christen | |
stundenlang in der katholischen Kathedrale im Zentrum der Stadt | |
eingeschlossen. | |
Die Angst ist überall, auch bei Augustina Haruna. "Wir sind alle extrem | |
vorsichtig", sagt die Katholikin, die seit knapp 30 Jahren mit einem Muslim | |
verheiratet ist. Deshalb hat ihre Familie in den vergangenen Tagen kaum | |
gefeiert. "Nur die Männer sind in die Moschee gegangen, waren aber ganz | |
schnell wieder zu Hause." Es sei kein Vergleich zu früher, als die Familie | |
gemeinsam mit Verwandten und Freunden zwei Tage lang die ausgelassene | |
Stimmung genoss. "Darunter waren viele Christen, aber sie trauen sich | |
längst nicht mehr in unser muslimisches Viertel." | |
Die Darstellungen, wie die Unruhen begonnen haben, sind unterschiedlich. | |
Vielleicht sind sie ausgebrochen, weil sich muslimische Jugendliche nicht | |
an Polizeivorgaben gehalten und öffentlich in einem christlichen Viertel | |
gebetet haben. Vielleicht haben christliche Jugendliche aber auch Rache für | |
das nehmen wollen, was an Heiligabend passiert ist. | |
Damals starben in Jos knapp 100 Menschen nach Bombenanschlägen auf einem | |
Marktplatz – fast alle waren Christen. Es könnte ebenfalls möglich sein, | |
dass die Special Task Force (STF), eine Spezialeinheit des Militärs, die | |
eigentlich für Ruhe sorgen soll, ein paar Mal in die Menge geschossen und | |
damit die Lage angeheizt haben könnte. | |
## Beten als Lösung | |
Immerhin: Dieses Mal ist die islamistische Sekte Boko Haram nicht an der | |
Gewalt beteiligt. Seit Jahren schon brodelt in Jos ein lokaler Konflikt. Es | |
ist ein Kampf zwischen den überwiegend einheimischen Christen und den | |
muslimischen Siedlern, die als zugezogen gelten, aber teilweise mehr als | |
100 Jahre lang in der Gegend leben und den Bundesstaat Plateau mit der | |
Hauptstadt Jos als ihre Heimat bezeichnen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. | |
Stattdessen wird gebetet. "Das ist doch das Einzige, was wir machen | |
können", findet Augustina Haruna. | |
Alleine ist sie nicht, denn rund um Eid al-Fitr faltet offensichtlich ganz | |
Nigeria die Hände und bittet um Frieden. Denn seit den Anschlägen am | |
Freitag auf das UNO-Hauptquartier in Abuja ibt es täglich neue Drohungen | |
von Boko Haram, deren Name übersetzt "Westliche Bildung ist Sünde" | |
bedeutet. | |
Auch erste Ankündigungen, dass bereits 50 Verdächtige verhaftet worden | |
seien, helfen wenig und lassen Präsident Goodluck Jonathan nicht in einem | |
besseren Licht erscheinen. Für die internationale Gemeinschaft sieht es | |
längst so aus, dass Nigeria keine Lösung hat, wie die Terroristen effektiv | |
bekämpft werden könnten. | |
Dementsprechend deutlich sind nun UNO-Vertreter in Abuja geworden. Nach | |
einem Bericht der Tageszeitung Leadership vom Mittwoch haben Mitarbeiter | |
betont, das jeweilige Gastland müsse für Sicherheit sorgen und sei in der | |
Verantwortung. Noch am selben Tag gab die Polizei bekannt, die Botschaften | |
in der Hauptstadt ab sofort besonders schützen zu wollen. Für die meisten | |
Nigerianer gibt es indes keine Sicherheit. "Wir haben nur unsere Hoffnung, | |
dass nichts passiert", seufzt Augustina Haruna. | |
31 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] /Bombenanschlag-in-Nigeria/!76945/ | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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