# taz.de -- Jochen Flasbarth über Gasgewinnung: "Wettlauf um den Untergrund" | |
> Der Präsident des Umweltbundesamts will mehr Informationen über die | |
> Auswirkungen des Frackings. Gefahren für die Umwelt sieht er in allen | |
> Phasen der Technologie. | |
Bild: Blickt skeptisch auf den Wettlauf um den Untergrund: Jochen Flasbarth. | |
taz: Herr Flasbarth, derzeit wird viel über "Fracking" debattiert, ein | |
Verfahren, um bisher ungenutzte Gasreserven im Untergrund durch das | |
Einleiten von Chemikalien zu gewinnen. Was sagt das Umweltbundesamt (UBA) | |
zu dieser Technik? | |
Jochen Flasbarth: Beim Fracking stehen wir mit unserem Wissen erst am | |
Anfang. Über die konkreten Auswirkungen auf die Umwelt haben wir nur wenige | |
belastbare Erkenntnisse. Wir wissen aber: Umweltbeeinträchtigungen sind in | |
allen Phasen dieser Technologie denkbar. Ehe Fracking grünes Licht bekommt, | |
raten wir dazu, jeweils alle möglichen Auswirkungen auf die Umwelt intensiv | |
zu prüfen. | |
Wie soll das konkret aussehen? | |
Wir schlagen einige Leitlinien vor: Ganz im Vordergrund der Prüfung stehen | |
Auswirkungen auf das Grundwasser. Allen Frackingbohrungen sollte zudem eine | |
obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung vorangehen. In sensiblen | |
Gebieten wie Trinkwasserschutzgebieten, in der Nähe von Heilquellen oder | |
Mineralwasservorkommen sollte Fracking nicht erlaubt werden. Zudem sollten | |
gesetzliche Bestimmungen hierzu neu und klar geregelt werden, auch um mehr | |
Transparenz herzustellen. | |
Welche Informationen brauchen Sie? | |
Vor allem müssen wir mehr wissen über alle Chemikalien, die beim Fracking | |
eingesetzt werden. Wir müssen genau einschätzen können, wie sich die Stoffe | |
im Untergrund verhalten, ob und wie sie wieder an die Oberfläche gelangen | |
und was dort mit ihnen geschieht. Inwieweit Fracking das Grund- und | |
Trinkwasser und die Funktionsfähigkeit des Bodens beeinträchtigen könnte, | |
werden wir noch genauer erkunden. Um all das zu klären, vergeben wir jetzt | |
Studien. | |
Wie kann es sein, dass so etwas gemacht wird, ohne dass es einen | |
rechtlichen Rahmen gibt? | |
Diese Tätigkeit gilt als Bergbau und wird deshalb nach Bergrecht bewertet. | |
Es gibt dort zwar Bezüge zum geltenden Umweltrecht, diese werden aber | |
unserer Kenntnis nach so interpretiert, dass Prüfungen nach dem | |
Wasserhaushaltsgesetz nicht durchgeführt werden müssen. Unsere Empfehlung | |
ist deshalb: Die Umweltbehörden müssen verbindlich beteiligt werden. Und | |
eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist bisher überhaupt nicht vorgesehen. Auch | |
das sollte sich ändern. | |
Fracking könnte billiges Gas bringen, das die klimaschädlichere Kohle | |
ersetzt. Ist das für den Klimaschutz nicht eine große Chance? | |
Für die Energiewende spielt Gas in der Übergangszeit eine große Rolle. Aber | |
das muss man nicht unbedingt durch Fracking und auch nicht im eigenen Land | |
fördern. Im Augenblick und auch für die Zukunft gibt es noch genug | |
herkömmliches Gas. | |
Inzwischen gibt es eine neue Debatte um deutsche Bodenschätze. | |
Ja, es gibt einen Wettlauf um den Untergrund. Nehmen Sie die Debatten ums | |
Fracking, die Geothermie und die CO2-Speicherung, das sogenannte CCS | |
[carbon capture and storage; d. Red.]. Im CCS-Gesetz gibt es konkrete | |
Umweltbestimmungen für den Untergrund, beim Fracking und der Geothermie | |
aber nicht. Was fehlt, sind Prüfungen, wie konkurrierende Nutzungen zu | |
bewerten und zu priorisieren sind. | |
Sie meinen, es wird eng unter Tage? | |
Die verschiedenen Nutzungen könnten sich in der Tat in die Quere kommen. In | |
gefrackten Gebieten können Sie in der Regel nicht mehr CCS oder Geothermie | |
betreiben. Geothermie und CCS konkurrieren um die gleiche knappe Ressource. | |
Deshalb ist eine unterirdische Raumordnung erforderlich, analog zur | |
oberirdischen Raumordnung, die schon seit Langem Nutzungskonflikte zwischen | |
Bauen, Infrastruktur, Landwirtschaft und Natur regelt. Wir sollten regeln, | |
welche unterirdischen Räume, das heißt welche Gesteinsformationen in der | |
jeweiligen Tiefe für welche Nutzung vorgesehen werden können. Das wäre dann | |
so eine Art dreidimensionaler Atlas des Untergrunds. Darin könnte man auch | |
die relevanten Umweltanforderungen festschreiben. | |
Wo wäre in diesem Atlas des Untergrunds Raum für CCS? Das Thema wird ja | |
gerade zwischen Industrie, Politik und Umweltschützern erbittert | |
diskutiert. | |
CCS ist keine nachhaltige Nutzung, denn es gibt nur begrenzte Kapazitäten | |
an Speichern. Außerdem muss geklärt werden, ob es Einflüsse auf die Umwelt | |
gibt, aber solche Prüfungen sieht das CCS-Gesetz ja auch vor. Wir können | |
uns vorstellen, dass CCS in den nächsten Jahrzehnten erforderlich wird, um | |
unvermeidliches CO2 aus Industrieprozessen zu speichern, etwa aus der | |
Zementproduktion. Aber ich habe große Zweifel, ob CCS eine vernünftige | |
Anwendung bei der Kohle haben wird. Für das Kohlendioxid aus der | |
Kohleverbrennung ist die knappe und teure Ressource "Speicherplatz im | |
Boden" einfach zu schade. | |
2 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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