# taz.de -- Umstrittene Erdgasförderung in NRW: Fracksausen vorm Fracking | |
> Wegen massivem Einsatz giftiger Chemikalien wächst in NRW der Widerstand | |
> gegen die Suche nach "unkonventionellem Erdgas". Doch die | |
> Mineralölkonzerne wollen bohren. | |
Bild: Protest gegen die Probebohrungen von ExxonMobil im Münsterland. | |
DÜSSELDORF taz | Im Streit um die als umweltschädlich und | |
trinkwassergefährdend kritisierte Erdgas-Fördermethode Fracking erhöhen | |
Mineralölkonzerne wie ExxonMobil offenbar den Druck auf die rot-grüne | |
Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. "Das geht hoch bis zur | |
Ministerpräsidentin", ist in Düsseldorf zu hören. Naturschutzverbände und | |
Bürgerinitiativen klagen außerdem über eine millionenschwere Imagekampagne: | |
Der "Dialogprozess" des Betreibers der "Esso"-Tankstellen diene lediglich | |
dazu, die berechtigten Sorgen von AnwohnerInnen zu zerstreuen. | |
Beim Fracking wird ein Gemisch aus giftigen Chemikalien, Sand und Wasser | |
mit einem Druck von über 1.000 Bar in den Untergrund gepresst. Gefördert | |
werden soll damit so genanntes "unkonventionelles Gas": Das ist tief in der | |
Erde in Schiefer- und Sandsteinschichten, aber auch in Kohlevorkommen | |
gebunden. Durch das Fracking wird das Gestein aufgesprengt, das Gas kann | |
nach oben entweichen. | |
Bisher wurde die Fördermethode nur in Norddeutschland angewandt. Allerdings | |
haben Mineralölkonzerne wie Exxon oder Wintershall längs Erdgasvorkommen | |
etwa in NRW im Blick: Auf 18.000 Quadratkilometern haben sie ihre Claims | |
bereits abgesteckt -- das ist rund die Hälfte der Fläche des | |
bevölkerungsreichsten Bundeslands. Dabei warnen Umweltschützer wie Dirk | |
Jansen vom Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), der | |
eingesetzte Chemikaliencocktail gefährde die Trinkwasserversorgung: "Pro | |
Bohrung kommt tonnenweise Gift zum Einsatz", sagt Jansen. "Darunter sind | |
Biozide und Säuren, aber auch Gefahrstoffe wie Benzol und Tuluol." | |
## "Keine Wassergefährdungsklasse Null" | |
Trotzdem scheint der Druck der Mineralölkonzerne erste Wirkung zu zeigen: | |
Bei einer Anhörung von Experten im Landtag, die Chancen und Risiken des | |
Frackings beleuchten solle, stellte der umweltpolitische Sprecher der | |
traditionell bergbaufreundlichen SPD-Fraktion, André Stinka, nur eine Frage | |
- zu möglichen Arbeitsplatzeffekten. "Ich bin dafür, unter hohen | |
Umweltauflagen Probebohrungen zu ermöglichen", so Stinka zur taz. Erst dann | |
könne bewertet werden, wie groß die Ressourcen in NRW überhaupt seien und | |
ob sich Fracking überhaupt lohne. Klar sei aber, dass zur Sicherung der | |
Energieversorgung nach dem Atomausstieg "mehr Erdgas" gebraucht werde. | |
Doch ob das unter hohem Chemikalieneinsatz in Deutschland gewonnen werden | |
muss, bezweifeln Energieexperten. Der Weltmarkt für Gas funktioniere, die | |
Versorgung sei gesichert, argumentierte bei der Landtagsanhörung etwa Marc | |
Bettzüge vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln. | |
Der Geologe Thomas Siepelmeyer warnte vor undichten Bohrungen wie bei der | |
Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko: "Beton | |
und Stahl altern". Und Christa Stiller-Ludwig mahnte für die | |
Wasserbehörden, trotz hoher Verdünnung der Frack-Chemikalien sei eine | |
Verseuchung des Trinkwassers möglich: "Eine Wassergefährdungsklasse Null | |
gibt es nicht." Vertreter des Geologischen Dienstes hielten wie die | |
Mineralölindustrie dagegen: Die Frackflüssigkeit sei durch dicke | |
Tonschichten vom Grundwasser abgeschirmt. | |
## Mehr als zehn Bürgerinitiativen | |
Aufgeschreckt durch die Gründung von mehr als zehn Bürgerinitiativen | |
reagieren viele Politiker dennoch skeptisch. Die Konzerne sollten doch eine | |
Frack-Methode ohne Chemikalieneinsatz erfinden, fordert nicht nur der | |
CDU-Abgeordnete Hendrik Wüst, in dessen Wahlkreis im Münsterland der | |
Widerstand besonders groß ist. | |
Auch die Linke lehnt die unkonventionelle Erdgassuche kategorisch ab. Der | |
grüne NRW-Umweltminister Johannes Remmel will im Juli ein Gutachten | |
vergeben, das die Gefahren des Frackings untersuchen soll. Und selbst ein | |
Sprecher von SPD-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger bekräftigt: | |
"Probebohrungen werden erst genehmigt, wenn uns die Ergebnisse dieses | |
Gutachtens vorliegen." | |
2 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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