# taz.de -- Lohnvergleichsverfahren "Logib D": Wenn die Lücke schrumpft | |
> Firmen können jetzt ihre Frauen- und Männerlöhne vergleichen lassen. Doch | |
> das System "Logib D" zeitigt wundersame Ergebnisse und ist deshalb | |
> umstritten. | |
Bild: Ständiges Aufregerthema: Lohnunterschiede bei Frauen und Männern. | |
BERLIN taz | Alexander Geib ist amüsiert: Sein Unternehmen, der | |
Pumpenhersteller Flux, hat seine Männer- und Frauenlöhne vergleichen | |
lassen. Und während im deutschen Durchschnitt Frauen 23 Prozent weniger | |
verdienen als Männer, ist es in seinem Betrieb umgekehrt: Die Frauen | |
verdienen mehr als die Männer, 1,8 Prozent mehr. Personalchef Geib sieht | |
sich bestätigt: "Bei uns war es schon immer so: Wer sich hervortut, wird | |
gefördert, egal ob Mann oder Frau." | |
Nun muss man sich den Pumpenhersteller keineswegs als frauendominiertes | |
Wunderwerk vorstellen, es arbeiten 60 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen | |
dort. Die Führungsebene ist rein männlich. Die Männer arbeiten in den | |
besser bezahlten Tätigkeiten. Eine ganz normale Technikfirma also. | |
Zu der wundersamen 1,8 kommt es dank einem besonderen | |
Untersuchungsverfahren: Logib D heißt es und ist ein Software-Programm, das | |
die Lohnstruktur auf Ungleichheiten zwischen Männer- und Frauenlöhnen | |
untersucht. Das Bundesfamilienministerium bewirbt es und hat vergangene | |
Woche einige Unternehmen beglückwünscht, die es angewandt haben - darunter | |
auch Flux. | |
Das Interessante an dem Logib-Verfahren: Es zerlegt die Lohndifferenz in | |
verschiedene Bestandteile: unterschiedliche Qualifikationen, Berufsjahre, | |
Arbeitszeitmodelle etc. All dies ziehen die Prüfer als "objektive Faktoren" | |
von der Lohnlücke ab. Übrig bleibt eine "bereinigte" Zahl, die sehr viel | |
kleiner ist als die unbereinigte. Bei Flux kommt es sogar dazu, dass eine | |
unbereinigte 19-Prozent-Lohnlücke zu Lasten der Frauen sich in ihr | |
Gegenteil verkehrt und zu einer 1,8-Lücke zugunsten der Frauen wird. | |
Nun haben nicht alle untersuchten Firmen so hübsche Ergebnisse, zwischen 2 | |
Prozent und 9 Prozent lag die bereinigte Lohnlücke bei den 24 Unternehmen, | |
die vom Familien-Staatssekretär ausgezeichnet wurden. Dort sieht Friedrich | |
Fratschner von der Unternehmensberatung Baumgartner und Partner, der den | |
Logib-Test begleitete, auch Handlungsbedarf: "Hier kommen unbewusste | |
Rollenbilder ins Spiel: belohnt das Beurteilungssystem typisch männliches | |
Verhalten? Trauen sich die Frauen bestimmte Positionen nicht zu und | |
bewerben sich gar nicht erst? Oder bevorzugt ein männlicher Beurteiler | |
unbewusst männliche Mitarbeiter?" | |
## Logib D kann Anhaltspunkte bieten | |
Doch anhand der Firma Flux mit ihrer männlichen Führungsspitze sieht man | |
auch, dass die "bereinigte" Lohnlücke nur sehr wenig aussagt. Kann ein | |
Unternehmen damit zufrieden sein, wenn alle Frauen in schlecht | |
qualifizierten Teilzeitstellen hocken und deshalb keine Karriere machen? | |
Die Zahlen von Logib D, darauf weist Berater Fratschner hin, können den | |
Unternehmen gute Anhaltspunkte bieten, sich eingehender zu prüfen: Denn die | |
unbereinigte Differenz weist ja auch auf Ungleichheiten hin. | |
Der Krankenhausbetreiber Marienhaus etwa hat durchaus bemerkt, dass die | |
Chefärzte meist Männer sind. Die sind auch oft doppelt belastet, etwa weil | |
sie noch Lehrverpflichtungen an der Uni haben. Doch hält sich in der | |
Unternehmenskultur eine Art zweifacher Standard: "Die berufliche | |
Doppelbelastung wird im Unternehmen akzeptiert, die Doppelbelastung durch | |
Familie und Beruf dagegen nicht", hat Krankenhausoberin Therese Schneider | |
von Marienhaus beobachtet. | |
Doch eine solche Interpretation steht dem Engagement der Unternehmen | |
anheim. Darin sieht die Wissenschaftlerin und Entgelt-Expertin Andrea | |
Jochmann-Döll auch den Nachteil von Logib D. "Es fehlt bei Logib D eine | |
qualitative Analyse", sagt sie. Sind die Anforderungen an die Arbeitsplätze | |
korrekt beschrieben? Und warum sind überhaupt alle Teilzeit-Arbeitsplätze | |
in Bereichen mit vermeintlich geringen Anforderungen? "Logib ist erst | |
einmal nur eine Beschreibung, die Analyse bleibt dem Willen der Firmen | |
überlassen", so Jochmann-Döll. | |
## Lohncheck-Programmder Hans-Böckler-Stiftung | |
Zudem sei das Instrument nicht rechtskompatibel: Der Lissabon-Vertrag und | |
auch das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbieten auch | |
mittelbare Diskriminierung: Eine vermeintliche Gleichbehandlung, die aber | |
ein Geschlecht härter trifft. Damit müsste die gesamte Vergütungsstruktur | |
danach geprüft werden, ob sie typische Männertätigkeiten besser bewertet | |
oder mit Zulagen versieht als Frauentätigkeiten. Jochmann-Döll hat deshalb | |
für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung ein Lohncheck-Programm | |
entwickelt, den "eg-check", das diese Komponenten berücksichtigt und | |
deshalb - anders als Logib D - gerichtsfest ist. | |
Das Thema Recht möchte das Familienministerium mit Logib D ohnehin nicht | |
anfassen. Logib D verändere die Unternehmenskultur und steigere die | |
Attraktivität des Arbeitgebers, schwärmt Staatssekretär Hermann Kues. Das | |
kluge Unternehmen, das sich heute schon prüfe, habe einen Vorteil auf dem | |
Arbeitsmarkt. "Man muss nicht immer alles mit Gesetzen regeln", erklärt er | |
unter Beifall der Firmen. | |
Das sieht die Opposition anders. Die SPD etwa hat im Frühjahr die Regierung | |
per Antrag im Bundestag aufgefordert, ein Entgeltgleichheitsgesetz | |
festzulegen. Danach müssten alle Betriebe einen Entgeltbericht abgeben. | |
Eine behördliche Stelle, wie etwa die Antidiskriminierungsstelle, würde | |
diese Berichte prüfen. Die Stelle und auch Antidiskriminierungsverbände | |
müssten die Firmen verklagen können, wenn sie eine festgestellte | |
Ungleichheit nicht beseitigen. Auch die Tarifverträge müssten so überprüft | |
werden. All das lehnt das Familienministerium ab. Und verkündet lieber, | |
dass man mit Logib D kaum Diskriminierung finden konnte. | |
5 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
## TAGS | |
Frauen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Koalitionsverhandlungen zur Lohnlücke: Gleiches Geld für gleiche Arbeit | |
Die Arbeitsgruppe Frauen, Familie und Gleichstellung will, dass Frauen | |
nicht mehr durchschnittlich 23 Prozent weniger verdienen als Männer. | |
Interview mit Gleichstellungsbeauftragter: "Frauen gelten als Zuverdiener" | |
Am "Equal Pay Day" kriegen Frauen in vielen Geschäften 23 Prozent Rabatt. | |
So viel verdienen sie weniger als Männer, erklärt die Neuköllner | |
Gleichstellungsbeauftragte. | |
Debatte Familienpolitik: Alle Mann an den Wickeltisch | |
Kinderbetreuung ist keine Sache der Frauen, sondern ein Auftrag an die | |
Gesellschaft. Der notwendige Strukturwandel ist jedoch nicht in Sicht. | |
Studie zu unterbezahlten Frauen: 22 Prozent mehr für den Schlips | |
Berufstätige Frauen werden europaweit schlechter bezahlt als ihre | |
männlichen Kollegen. Der "Equal Pay Day" soll jetzt die Regierung unter | |
Druck setzen, um das zu ändern. | |
Schlechtbezahlte Frauenberufe: Das ist doch mehr wert | |
Typische Frauentätigkeiten werden oft schlechter bezahlt als Männerberufe. | |
DGB und Frauenrat wollen das ändern. |