| # taz.de -- Afrikaner in Libyen: Nur Gott kann sie schützen | |
| > Schwarze Arbeitskräfte in Libyen werden pauschal als Söldner verdächtigt. | |
| > Viele sind geflohen, andere halten sich aus Angst vor Überfällen und | |
| > Festnahmen versteckt. | |
| Bild: Diese Frau versteckt sich aus Angst vor Überfällen auf einem Bauernhof … | |
| TRIPOLIS taz | Als Daniel, Sohn Gottes, stellt er sich uns vor. Seinen | |
| Nachnamen will er nicht nennen. Zusammengekauert sitzt er auf der letzten | |
| Bank der San-Francesco-Kirche. Daniel stammt aus Nigeria. Afrikaner wie er | |
| waren früher das Rückgrat der katholischen Kirche im Norden von Tripolis. | |
| Doch an dieser ersten Messe seit zwei Wochen bleibt die Kirche fast leer. | |
| Nur etwa vierzig Gläubige sind gekommen, etwa die Hälfte von ihnen sind | |
| Christen auf Afrika. | |
| Männer wie Daniel leben in diesen Tagen gefährlich in der libyschen | |
| Hauptstadt. Bei den Rebellen stehen sie im Generalverdacht, als Söldner im | |
| Dienst des Gaddafi-Regimes gestanden zu haben. An Checkpoints kontrollieren | |
| die Rebellen Ausweise und sind mit Festnahmen schnell bei der Hand. | |
| Zahlreiche angebliche Söldner haben sie in provisorische Gefängnisse | |
| gesteckt. | |
| "Lasst uns für Frieden und Versöhnung beten", sagt Pfarrer Daniel Farrugia | |
| in seiner Predigt. Die Häupter gesenkt, knien sich die Gläubigen zum Gebet | |
| auf die hellen Holzbänke. Danach stimmt der Kirchenchor ein Gospel an. | |
| Vergessen ist in diesem Augenblick, dass die Kirche fast leer ist. | |
| Vielstimmig erfüllt der Gesang das Kirchenschiff, dessen Oberlichter die | |
| gleißende Sonne bricht. Die Empore ist mit Gemälden aus dem Lebens- und | |
| Leidensweg Jesu geschmückt, neben dem Eingang steht eine große | |
| Marienstatue, von zwei großen Elektrokerzen umrahmt. | |
| ## Schwarze werden als Affen beschimpft | |
| Wie die meisten hat sich Daniel aus Nigeria für den Gottesdienst seine | |
| besten Kleider angezogen – eine königsblaue, gemusterte Tunika mit | |
| passender Hose. Er sei kein Söldner, sondern Maler, sagt der 30-Jährige. | |
| Mehrere Millionen Ausländer aus Afrika, den Philippinen, Asien und Europa | |
| haben bis zum Ausbruch des Kriegs in Libyen gearbeitet. Als | |
| Hausangestellte, Müllarbeiter, Krankenschwestern, Ärzte, Techniker und | |
| Ingenieure bildeten sie das Rückgrat der libyschen Wirtschaft. Viele sind | |
| vor den Nato-Luftangriffen und den Kämpfen zwischen dem Regime und den | |
| Rebellen geflohen. Andere halten sich versteckt. Ressentiments gegen die | |
| ausländischen Migranten sind groß und Rassismus ist weit verbreitet. Fast | |
| jeder Libyer, mit dem man spricht, ist der Meinung, die Ausländer nähmen | |
| ihnen die Jobs weg. Schwarze werden in aller Öffentlichkeit als Affen | |
| beschimpft. | |
| Nach der Befreiung von Tripolis nutzen nicht nur die Rebellen, sondern auch | |
| Kriminelle das Machtvakuum. Schon zweimal ist das Anwesen, in dem Daniel | |
| und andere Afrikaner leben, überfallen worden. Mit Messern bewaffnet seien | |
| Männer in das Haus eingedrungen. Sie hätten ihm sein Mobiltelefon und alles | |
| Bargeld gestohlen. Andere berichten von ähnlichen Überfällen. Besonders | |
| prekär sei die Lage nach dem muslimischen Abendgebet. Dann käme es in den | |
| Vierteln, in denen Afrikaner leben, regelmäßig zu Übergriffen, sagt ein | |
| Arzt aus Ghana. | |
| Dabei ging es den Afrikanern auch unter dem Gaddafi-Regime nicht gut. | |
| Anastasia Nibonn aus Ghana lebt seit fünfzehn Jahren in Libyen. Jahrelang | |
| arbeitete sie als Hausangestellte in der Villa von Musa Kusa. Kusa war | |
| lange der Chef des Auslandsgeheimdienstes, dann Außenminister, bevor im | |
| Frühjahr die Seiten wechselte und sich seitdem als Gaddafi-Gegner der | |
| ersten Stunde gibt. | |
| ## Behandelt wie eine Gefangene | |
| Die Arbeit bei Kusa sei furchtbar gewesen, sagt Nibonn. Sie sei wie eine | |
| Gefangene behandelt worden, habe nie das Haus verlassen dürfen. Schläge und | |
| Demütigungen seien an der Tagesordnung gewesen. Nach sechs Jahren gelang | |
| ihr die Flucht. Zuletzt arbeitete Nibonn bei einem Mitarbeiter des | |
| deutschen Energiekonzerns RWE. Doch der verließ Libyen bei Kriegsausbruch. | |
| Aus Angst vor den Kämpfen, aber auch vor den Angriffen der Libyer, hat sie | |
| seitdem die Wohnung kaum verlassen. | |
| Zwischen 70.000 und 90.000 Christen lebten bis Kriegsausbruch in Libyen, | |
| sagt Pfarrer Farrugia. Sie alle sind Ausländer, libysche Christen gibt es | |
| nicht. Was die Zukunft für die Ausländer und besonders die Afrikaner | |
| bringt, weiß niemand. Der Pfarrer hofft, dass der Nationale Übergangsrat | |
| sich hinter sie stellt und den Übergriffen einen Riegel vorschiebt. Libyen | |
| verlassen wollen Daniel und Nibonn nicht. Die Kirche gebe ihr Halt, sagt | |
| Nibonn. Daniel, der sich Sohn Gottes nennt, spricht ein Stoßgebet. Nur Gott | |
| könne ihn schützen, sagt Daniel. "Mein Schicksal liegt in seiner Hand." | |
| 8 Sep 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Inga Rogg | |
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