Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Großeinsatz in Syrien: Die Armee jagt Deserteure
> Bei einem Großeinsatz in Homs sind seit Mittwoch nach Angaben von
> Aktivisten mindestens 31 Menschen gestorben. Wohnviertel der Stadt wurden
> beschossen.
Bild: Handyfoto eines syrischen Militärlasters in der Nähe von Homs. Die Aufn…
BEIRUT taz | Die Einwohner von Homs haben sich in ihren Häusern verschanzt.
Seit die Soldaten am Mittwochmorgen in die zentralsyrischen Stadt
eingedrungen sind, wagt sich kaum noch jemand nach draußen. Fast alle
Geschäfte sind geschlossen. Auf der Suche nach desertierten Soldaten und
Aktivisten durchkämmen die Truppen Straße für Straße, Haus für Haus.
Bislang starben bei dem Großeinsatz mindestens 31 Menschen.
"Sie kamen gegen fünf Uhr morgens in die Stadt und haben mehrere
Wohnviertel mit Panzern umstellt", sagt Mohammed, ein Aktivist aus Homs.
"Sie haben eine Liste von Leuten, nach denen sie fahnden. Auch mein Name
steht darauf. Sie sind in mein Haus eingedrungen, um mich zu verhaften.
Gott sei Dank war ich gerade unterwegs."
Homs zählt zu den Hochburgen der Aufständischen. An dem Tag, bevor der
Angriff begann, hatten dort erneut tausende von Menschen gegen das Regime
von Präsident Baschar al-Assad demonstriert. "Seit sechs Monaten vergeht
hier kein Tag, ohne dass die Leute irgendwo protestieren", meint Mohammed.
"Ich denke, das wollen sie jetzt mit allen Mitteln unterbinden." Zusätzlich
sind am Mittwoch nach Angaben von Aktivisten 13 Wehrdienstleistende und
drei Offiziere in Homs desertiert. Berichten zufolge ist die Zahl der
Überläufer erheblich angestiegen.
## "Gott ist groß"
Auf YouTube kursiert ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Soldaten in Homs
ihren Posten verlassen und in eine Menschenmenge eintauchen. "Gott ist
groß", jubeln die Anwohner und umarmen die Rekruten. Einige Deserteure
sollen in der Stadt geblieben sein, um die Demonstranten zu beschützen.
Offenbar haben sie versucht, die Zufahrtsstraßen eines christlichen
Viertels mit militärischen Fahrzeugen zu blockieren. Doch der Vormarsch der
regimetreuen Streitkräfte am folgenden Tag ließ sich damit nicht aufhalten.
Den ganzen Mittwoch über feuerten die Truppen mit Sturmgewehren und
schwerer Artillerie um sich. Augenzeugen berichten, dass sich Soldaten
hinter Sandsäcken verbergen und wahllos auf Passanten schießen. Überall in
der Stadt wurden Checkpoints errichtet, mindestens 45 Menschen verhaftet.
Zeitgleich kam es auch in mehreren Städten an der türkischen Grenze zu
Razzien. Offenbar sucht die Armee weiterhin nach Mohammad Adnan al-Bakkur,
dem ehemaligen Oberstaatsanwalt der Provinz Hama. Bakkur hatte vor wenigen
Tagen in einem YouTube-Video seinen Rücktritt angekündigt. Damit ist er der
erste hochrangige Beamte, der sich öffentlich von Assad distanziere.
In Homs setzten Armee und Sicherheitskräfte ihre Angriffe am Donnerstag
fort. Alle fünf bis zehn Minuten sind Schusssalven zu hören, sagt Mohammed,
der junge Aktivist. "Die Situation ist ruhiger als gestern, aber sehr
angespannt. Sorge macht uns vor allem, dass sie alle Staatsangestellten
angewiesen haben, bis Samstag ihre Häuser nicht zu verlassen. Wir alle
sitzen nun in unseren Wohnungen und warten ab. Ich denke, sie planen eine
große Offensive hier in der Stadt."
8 Sep 2011
## AUTOREN
Gabriela M. Keller
## ARTIKEL ZUM THEMA
Syrische Oppositionsgruppen vereinen sich: Nationalrat gegen Assad gegründet
Die in unterschiedliche ethische und ideologische Gruppen gespaltene
Opposition in Syrien scheint sich geeint zu haben. Derweil bekämpft die
Regierung ihre Gegner immer brutaler.
Syrischer Aktivist: Im Knast zu Tode gefoltert
Er begrüßte Soldaten mit Blumen: Ghijath Matar war einer der Protagonisten
der Revolte in Syrien. Er wurde gefoltert und starb im Gefängnis - mit 26.
Neue Schätzungen zu Toten in Syrien: Das Regime verteidigt sich
Die UN berichtet von 2.600 Toten bei Protesten gegen Syriens Staatschef
Baschar al-Assad. Dessen Sprecherin nennt andere Zahlen und kritisiert bei
einem Besuch in Russland den Westen.
Reformzusagen zum Trotz: Assads Regime tötet weiter
Widerstrebend hörte sich Syriens Präsident Assad Vorschläge der arabischen
Staaten für eine Friedenslösung an. Doch seine Truppen schießen weiter. Die
Opposition erklärt den Dialog für nutzlos.
Debatte Geopolitik in Nahost: Iran verliert an Bedeutung
Fällt das Assad-Regime, stürzt Teheran noch lange nicht, aber verliert
einen zentralen Partner. Sieger ist die Türkei, die sich strategisch sehr
klug positioniert.
Regimegegner in Syrien: Vier Tote bei Militäreinsatz
In der syrischen Stadt Homs haben Armee und Polizei offenbar einen
Großeinsatz gegen Regimekritiker begonnen. Vier Menschen wurden von
Sicherheitskräften erschossen.
Entwicklungshilfe trotz Regimekritik: Deutsche Gratwanderung in Syrien
Trotz der Sanktionen gegen das Assad-Regime erhält Syrien nach wie vor für
einige Projekte Entwicklungshilfe aus Deutschland. Eine schwierige
Abwägung.
Entwicklungshilfe in Syrien: Berlin zahlt weiter
Das Niebel-Ministerium finanziert in Syrien weiterhin sechs
Entwicklungshilfeprojekte. Diese würden für den Aufbau der
Zivilgesellschaft sein – und nicht fürs Regime.
Proteste in Syrien: Trotz Öl-Embargo bleibt Assad hart
Besonders Frankreich prescht nun mit Überlegungen vor, über die bisherigen
Wirtschaftssanktionen der EU hinauszugehen. Derweil setzt das Assad-Regime
seine Razzien in Protesthochburgen fort.
Sanktionen gegen Syrien: EU verhängt Ölembargo
Erstmals verhängt die EU angesichts der gewaltsamen Niederschlagung von
Protesten Sanktionen gegen Syrien. Frankreich sucht den Dialog mit den
Oppositionellen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.