# taz.de -- Kommentar Palästina: Es wird neue Kriege geben | |
> Die neue Initiative des Nahostquartetts ist eine Totgeburt und das Papier | |
> nicht wert, auf dem sie geschrieben steht. Die Gefährdung Israels wird | |
> nur noch größer. | |
Der UNO-Sicherheitsrat wird die Entscheidung über den Antrag auf die | |
Anerkennung und UN- Mitgliedschaft des Staates Palästina für viele Monate | |
verschieben. Hauptverantwortlich für diese fatalen und historisch | |
tragischen Beschluss sind die Vetomacht USA und das nichtständige | |
Ratsmitglied Deutschland. Hauptprofiteure dieses Beschlusses sind - | |
zumindest kurzfristig - die Regierung Netanjahu und die Hamas. Beide wollen | |
keinen Palästinenserstaat und keine Friedensregelung. | |
Zur Begründung für die Verschiebung der Entscheidung im Sicherheitsrat | |
heißt es: Washington und Berlin wolle der neuen Initiative des | |
Nahostquartetts für die "bedingungslose" Wiederaufnahme von | |
Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern eine Chance | |
geben. Tatsächlich rückt dieser Beschluss Friedensverhandlungen in immer | |
weitere Ferne und programmiert die Eskalation von Gewalt und Terrorismus im | |
Nahen Osten bis hin zu einem möglichen neuen israelisch-arabischen Krieg. | |
Die Gefährdung für Israel wird durch diesen Beschluss größer. | |
Die neue Initiative des Nahostquartetts ist eine Totgeburt und das Papier | |
nicht wert, auf dem sie geschrieben steht. Da das Quartett seine bisherigen | |
Forderungen nach einem Stopp des illegalen Siedlungsbaus in den besetzten | |
Gebieten sowie nach einer Zweistaatenlösung in den Vorkriegsgrenzen von | |
1967 ebenfalls aufgrund des Drucks von USA und Deutschland fallengelassen | |
hat, blieb Abbas nichts anderes übrig, als diese Initiative abzulehnen. | |
Viele Politiker und Medienkommentatoren qualifizieren diese beiden | |
Forderungen nun ebenfalls als "inakzeptable palästinensische | |
Vorbedingungen" ab und verurteilen Abbas sowie den israelischen Premier | |
Netanjahu nach ihren Reden vor der UNO-Generalversammlung gleichermaßen als | |
"kompromissunfähig". Eine Verdrehung der Tatsachen. | |
Israels Bau von Siedlungen in den 1967 besetzen Gebieten ist ein in | |
zahlreichen UNO-Resolutionen festgestellter und verurteilter Bruch des | |
Völkerrechts. Abbas Forderung, vor Verhandlungen wenigstens den Bau von | |
weiteren Siedlungen zu stoppen, ist daher nur recht und billig. Auch das | |
Bestehen auf einer Zweistaatenlösung in den Vorkriegsgrenzen von 1967 | |
entspricht der geltenden Völkerrechtslage. Wenn Abbas diese wesentlichen | |
Forderungen aufgibt, ist er politisch tot. Und es wird sich kein Nachfolger | |
als palästinensischer Verhandlungspartner finden, der in diesen Punkten | |
"kompromissbereiter" wäre. | |
Hingegen ist Netanjahus Forderung nach fortgesetzter Präsenz israelischen | |
Militärs auch in einem künftigen Staat Palästina völkerrechtlich und | |
politisch völlig inakzeptabel. | |
Die hinter dieser Forderung stehenden verständlichen Sicherheitsinteressen | |
Israel ließen sich allerdings befriedigen, wenn eine US-geführte | |
Friedenstruppe der UNO entlang der künftigen Grenze zwischen Israel und | |
Palästina stationiert würde. Unter dieser Bedingung wäre auch von den | |
Palästinensern zu verlangen, dass sie auf die Aufstellung eigener | |
Streitkräfte verzichten. | |
Mit seiner zweiten Vorbedingung für eine Friedensvereinbarung, die | |
Palästinenser müssten zunächst den "jüdischen Staat Israel" anerkennen, | |
kann sich Netanjahu zwar auf den Wortlaut der UNO-Resolution berufen, mit | |
der die Generalversammlung 1947 die Aufteilung des britischen | |
Mandatsgebiets Palästina in einen "jüdischen Staat "und einen "arabischen | |
Staat" beschloss. Die religiöse Identitätsbehauptung eines Staates - egal | |
ob jüdisch, islamisch oder christlich - ist jedoch politisch und auch | |
rechtlich grundsätzlich problematisch und dient fast immer als Instrument | |
zur Diskriminierung von religiösen Minderheiten. | |
Je länger die israelische Regierung die Realisierung einer | |
Zweistaatenlösung in den Vorkriegsgrenzen von 1967 verhindert, desto | |
stärker werden die Kräfte unter den Palästinensern sowie in den arabischen | |
Staaten, die entweder für zwei Staaten in den Grenzen der UNO-Resolution | |
von 1947 plädieren oder für einen gemeinsamen Staat. Das bedeutete entweder | |
einen rein "jüdischer Staat Israel" auf einem Territorium weit kleiner als | |
das derzeitige Kernisrael. Oder aber ein gemeinsamer Staat, in dem die | |
Juden auf Grund der demografischen Entwicklung sehr bald zu einer immer | |
kleineren Minderheit würden. | |
25 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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