# taz.de -- Senatswahlen in Frankreich: Mehr als eine Ohrfeige für Sarkozy | |
> Das gab's noch nie: Erstmals seit der Gründung der 5. Republik | |
> beherrschen Mitte-links-Kräfte das traditionell konservative Oberhaus in | |
> Frankreich. | |
Bild: So schlimm war's nun auch wieder nicht: Nicolas Sarkozy. | |
PARIS taz | Bei den Senatswahlen haben die französischen Linksparteien mit | |
177 von 348 Sitzen erstmals eine Mehrheit im "Oberhaus" erobert, das immer | |
als erzkonservative Bastion oder Stimme des rückständigen Frankreich der | |
Provinznotablen gegolten hatte. | |
Es handelt sich um einen historischen und symbolischen Sieg der Linken, die | |
bis zum Schluss nicht so recht an diesen Wechsel zu glauben wagte. Denn das | |
Wahlsystem an sich war immer ein großes Handikap für die Kräfte des | |
Fortschritts. Der Senat ist von den beiden Parlamentskammern die bewahrende | |
Kraft, die oft bremst, wenn es der Exekutive pressiert. | |
Für die Opposition ist es nicht nur ein historischer Sieg, weil es eine | |
Premiere in der Fünften Republik ist, die 1958 gegründet wurde. Sondern | |
auch deshalb weil diese Verschiebung weit reichende Konsequenzen für die | |
Gesetzgebung des Präsidenten hat, der im kommenden Frühling gewählt wird. | |
Für den heutigen Staatschef Nicolas Sarkozy, der dann für eine zweite | |
Amtszeit kandidieren möchte, bedeutet es, dass er selbst im Fall seiner | |
Wiederwahl bis zum Mandatsende mit einem Senat konfrontiert wäre, der ihn | |
ständig zu Kompromissen oder politischen Rückziehern zwingen und sogar | |
Verfassungsänderungen verhindern könnte. Sarkozy hat deshalb weit mehr als | |
bloß eine Ohrfeige bezogen. | |
## Trend stärken | |
Für die Wahlsieger vom Sonntag dagegen ist der Erfolg umso ermutigender, | |
weil die nunmehr mehrheitlich links wählenden 72.000 Delegierten der | |
Regionen, Departements und vor allem der Dörfer und Kleinstädte die | |
Stimmung der "France profonde" weit ab der Pariser Metropole zum Ausdruck | |
bringen. | |
Über die Genugtuung einer Schlappe für Sarkozy und dessen Partei hinaus | |
soll für die alliierten Sozialisten, Grünen und Kommunisten der Sieg den | |
Trend stärken, mit der eine vereinte Linke im Frühling in Frankreich nach | |
drei nacheinander verlorenen Präsidentschaftswahlen endlich das Ruder | |
herumzureißen gedenkt. | |
Diese Analyse machen heute auch mehrere Medien. Das Magazin Le Nouvel | |
Observateur beispielsweise meint: "Das ist bezeichnend für ein Klima. All | |
das deutet auf einen Dynamik hin. Wenn der sonst so vorsichtige Senat nach | |
links rutscht, dann bewegt sich das ganze Land in diese Richtung." Die | |
Sprecher der Regierungspartei UMP wollten sich damit trösten, dass der Sieg | |
der Linken und ihre Mehrheit letztlich ja knapp sei und lediglich der Logik | |
einer "arithmetischen Mechanik" entspreche. | |
## Senatspräsident hofft noch auf ein Wunder | |
Tatsächlich hatte die Opposition seit 2007 alle Volksbefragungen gewonnen, | |
die Kommunal-, Regional-, Departements- und Europawahlen. Und da die | |
"Wahlmänner" zu 95 Prozent aus den Kommunalräten entsandt werden, war der | |
Linksrutsch als Anpassung an die neuen lokalen Kräfteverhältnisse so | |
unerwartet nicht. | |
Außerdem treten die Konservativen und ihre zentrumsdemokratischen | |
Verbündeten in zahlreichen Departements am Sonntag getrennt an oder waren | |
weit mehr als die Linke mit dissidenten Gegenkandidaten konfrontiert. | |
Während der UMP-Parteichef Jean-François Copé schon am Sonntag die | |
Niederlage eingestand, bleibt der bisherige Senatspräsident Gérard Larcher | |
(UMP) zuversichtlich. Er hofft, dank einigen abtrünnigen Stimmen aus dem | |
linken Lager vielleicht sogar seinen Vorsitz und damit auch seinen | |
beneidenswerten Wohnsitz im Pariser Palais du Luxembourg zu behalten. | |
26 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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