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# taz.de -- Vorwahlen bei Frankreichs Sozialisten: Der geheime Favorit der Link…
> Arnaud Montebourg will Kandidat seiner Partei bei der Präsidentenwahl
> werden. Beim Auftritt in der Betonwüste von Saint-Denis stößt er auf
> Skepsis.
Bild: Anzug statt Hemd: Arnaud Montebourg im Wahlkampf.
PARIS taz | Seit sich Arnaud Montebourg um die Nominierung als
Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten bewirbt, hat er
Jeans und Hemd gegen einen dunklen Anzug und die obligate Krawatte
getauscht.
Wie schon bei seinen kürzlichen Besuchen in Fabriken, auf Dorfmärkten oder
im Hafen von Marseille ist er auch heute in einem ärmlichen Außenquartier
von Saint-Denis im Norden von Paris wie aus dem Ei gepellt. Da muss sich
der piekfeine Abgeordnete aus dem Burgund nicht wundern, dass er wieder mal
richtigstellen muss, er sei kein Aristokrat, sondern der Sohn eines
Steuerinspektors und einer Lehrerin. Vor den Vertretern von
Quartiervereinen in dieser "Banlieue" von Saint-Denis unterstreicht er,
dass sein Großvater mütterlicherseits ein arabischer Algerier war, der
damals im Krieg unter der Trikolore für die Freiheit und die Republik
gekämpft hatte. Auch wenn man ihm das nicht ansähe, sei er ein
"25-Prozent-Araber".
Bei dieser vom lokalen Judo- und Karateklub organisierten Begegnung wird
sehr rasch deutlich, wie groß das Misstrauen bei den Menschen hier ist, die
sich fast täglich mit der Bürokratie, mit falschen Klischees und echten
Diskriminierungen herumschlagen müssen. Hocine, der sich als angehender
Ingenieur vorgestellt hat und von Montebourg wissen will, was er im
Unterschied zu den anderen anzubieten habe, bleibt skeptisch.
2007 als Sprecher der Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal habe er
keine Antworten gehabt, räumt Montebourg ein, das sei jetzt anders. Seit
langem fordert er eine "Sechste Republik" mit grundlegenden Änderungen der
Institutionen, aber auch die strikte Einhaltung ethischer Regeln,
zuallererst durch seine Partei selber, die mit ihrer Klientelpolitik
brechen müsse.
Von den sechs, die zu den erstmals in dieser Art organisierten
"Primärwahlen" antreten, ist Montebourg der Einzige, der das Stimm- und
Wahlrecht für niedergelassene Ausländer auf kommunaler Ebene befürwortet.
Wie eine Garantie für seinen Antirassismus wird er bei seiner Wahltour von
Christiane Taubira, einer Politikerin aus dem Überseedepartement
Französisch-Guyana, begleitet. Auch seine aus Martinique stammende
Lebenspartnerin, die Fernsehjournalistin Audrey Pulvar, ist bei dieser
Kampagne engagiert.
## Arbeitskräfte zuerst vor Ort rekrutieren
Montebourg verteidigt die öffentliche Einheitsschule gegen die wachsende
soziale Ungleichheit, er unterstützt die Forderung, dass die mit
öffentlichen Subventionen und Steuervorteilen angelockten Unternehmen ihre
Arbeitskräfte zuerst vor Ort rekrutieren müssen.
Bei französischen Unternehmen, die ihre Produktion in Billiglohnländer
verlagern, müssten Markennamen oder Patente nationalisiert und enteignet
werden, schlägt er vor und prophezeit, eine Konfrontation mit den Multis
sei unumgänglich. Dass seine Forderung, zum Schutz der französischen
Arbeitsplätze protektionistische EU-Schutzzölle auf Billigimporte zu
erheben, mitunter ziemlich nationalistisch klinge, stellt er entschieden in
Abrede.
Die Zuhörer in Saint-Denis sind mehr an Problemen des Zusammenlebens
interessiert, für sie klingt Montebourgs Konzept der "Entglobalisierung",
bei dem Frankreich und Deutschland die Initiative übernehmen müssten, etwas
hypothetisch. Montebourg will sich mit seinem scharfen Angriff auf die
Bankenmacht von seinen fünf Konkurrenten deutlich abgrenzen.
Da bei diesen Vorwahlen am Sonntag alle abstimmen können, die
wahlberechtigt sind und einen Euro bezahlen, hält er das Rennen für offen.
Royal hat er laut Umfragen fast eingeholt. Jetzt muss er noch Martine Aubry
überrunden, um am 16. Oktober gegen den Favoriten François Hollande das
Finale um die Nominierung bestreiten zu können.
6 Oct 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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