# taz.de -- Schaulaufen der Sozialisten Frankreichs: Unter dem lästigen Schatt… | |
> Dominique Strausss-Kahn, der Exfavorit der Sozialisten um die | |
> Präsidentschaftskandidatur, könnte mit neuen Skandalen den Anwärtern | |
> Aubry und Hollande die Suppe versalzen. | |
Bild: Sie treten gegeneinander an (v. l. n. r.): Manuel Valls , Expräsidentsch… | |
LA ROCHELLE taz | Am Rednerpult kommt der Sozialist François Hollande ins | |
Schwitzen. Es ist nicht leicht, einer Favoritenrolle gerecht zu werden. Der | |
frühere Parteichef hat kein natürliches Charisma, er hat Kurse belegt, sich | |
auf Rat seiner neuen Lebensgefährtin, einer Journalistin, einen | |
jugendlicheren Look mit einer modischen Brille zugelegt und viele Kilos | |
abgespeckt. Doch den autoritären Tonfall in seiner Kritik an der Politik | |
der Rechtsregierung nimmt man ihm nicht so recht ab. Erst als der für seine | |
Jovialität bekannte Politiker aus der ländlichen Corrèze zu seiner | |
Geheimwaffe, der Ironie, greift, packt er sein Publikum: "Die Reichen | |
betteln darum, mehr Steuern zu bezahlen, aber Sarkozy will nicht? Geduld, | |
wir kommen!" Das Publikum jubelt und fordert "Hollande, Président". | |
Das diesjährige Sommertreffen der französischen Sozialisten hat die heiße | |
Phase des Präsidentschaftswahlkampfs eingeläutet. Geschenke macht auch der | |
sonst so umgängliche Hollande nicht - weder dem amtiereden Staatschef | |
Nicolas Sarkozy noch den fünf GenossInnen, die ihm bei den Vorwahlen Mitte | |
Oktober die Nominierung als Kandidat der Linken streitig machen. | |
Zwar liegt Hollande bei dieser Kandidatenkür klar vorn. Spätestens der sehr | |
kämpferische und sehr beklatschte Auftritt von Martine Aubry, die für die | |
interne Kür zeitweilig den Parteivorsitz abgegeben hat, machte deutlich, | |
dass dieses Rennen noch nicht gelaufen ist. | |
So gemütlich die Atmosphäre in der sommerlichen Hafenstadt La Rochelle an | |
der französischen Atlantikküste auch dieses Jahr wirkte, die Spannung | |
zwischen den insgesamt sechs Konkurrenten war sicht- und hörbar. Aubry | |
hatte gleich am Freitag den Auftakt gegeben und gesagt, als sie 2008 (von | |
Hollande!) die Führung der Partei übernommen habe, sei diese in einem | |
"erbärmlichen Zustand" gewesen. Man habe sich gefragt, ob "die Sozialisten | |
noch Lust hätten, Politik zu machen". | |
## "Tous ensemble, Socialistes!" | |
Die Aussicht auf einen möglichen Wahlsieg beflügelt heute dieselben | |
Genossen und schürt auch die Ambitionen. Mehrfach unterbrachen die | |
Jungsozialisten die Redner mit ihrem beschwörenden Slogan: "Tous ensemble, | |
tous ensemble, Socialistes!" (Alle gemeinsam, Sozialisten!). Hollande | |
drückte Aubry, von der ihr Vater Jacques Delors versichert, sie sei doch | |
"die Beste", vor dem gerührten Publikum einen kollegialen Kuss auf die | |
Wange. Sonst aber gingen die sechs Rivalen sich möglichst aus dem Weg. Nur | |
zum Abschluss posierten sie Seite an Seite fürs Gruppenbild. | |
Einer allerdings fehlte darauf: der frühere IWF-Direktor Dominique | |
Strauss-Kahn (DSK). Dafür fiel etwas anderes auf: In Hollandes Publikum | |
befand sich eine elegante Dame, Anne Mansouret. Die in der Nähe von La | |
Rochelle wohnende sozialistische Regionalpolitikerin ist die Mutter von | |
Tristane Banon, die gegen Strauss-Kahn eine Klage wegen eines angeblichen | |
Vergewaltigungsversuchs eingereicht hat. | |
Mansouret hat noch jüngst in der Presse verlangt, dass Strauss-Kahn (dessen | |
Geliebte sie einmal gewesen ist) in Frankreich zur Rechenschaft gezogen | |
werden müsse. Ihre Gegenwart ruft den Sozialisten in Erinnerung, dass diese | |
"Affäre DSK" nicht einfach verdrängt werden kann. | |
Der einstige Favorit aller Wählerumfragen sei für die Linke wie ein | |
lästiger Klebestreifen geworden, den man nicht los wird, meinte dazu Le | |
Figaro. Nur wenige unter Strauss-Kahns Freunden, wie Jean-Marie Le Guen, | |
wollen im kleinen Kreis über DSK reden. Der Pariser Abgeordnete zweifelt | |
nicht an dessen Rehabilitierung und Comeback - in ferner Zukunft. Die | |
Bewerber um die Nominierung für 2012, die von Strauss-Kahns unfreiwilligen | |
Skandal profitieren, hoffen nur, dass dieser ihnen nicht in den kommenden | |
Wochen weiterhin mit einem neuen Skandal die Show stiehlt. | |
28 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Mahnmal | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Der Berliner Wochenkommentar 1: Mahnmal im Namen der Opfer | |
Die Entscheidung für einen goldenen Riss als Gedenkzeichen auf dem | |
Breitscheidplatz ist angemessen – und erfreulicherweise im Sinne der | |
Hinterbliebenen. | |
Buch über Dominique Strauss-Kahn: "Suggestive Blicke" sollen schuld sein | |
Ein Enthüllungsbuch schildert "einvernehmlichen Sex" zwischen Strauss-Kahn | |
und der Servicefrau im Hotel und vermutet ein Komplott. Der Ex-Währungschef | |
distanziert sich. | |
Vorwahlen bei Frankreichs Sozialisten: Der geheime Favorit der Linken | |
Arnaud Montebourg will Kandidat seiner Partei bei der Präsidentenwahl | |
werden. Beim Auftritt in der Betonwüste von Saint-Denis stößt er auf | |
Skepsis. | |
Kommentar Strauss-Kahn: Die seichte Beichte des DSK | |
Den Medienplan könnte Strauss-Kahn seinem Freund Clinton aus dessen | |
Lewinsky-Affäre abgeschaut haben. Das Drehbuch hat sich in den USA schon in | |
mehreren Remakes bewährt. | |
Strauss-Kahns Fernsehbeichte: Verpasstes Rendezvous mit Frankreich | |
Dominique Strauss-Kahn äußert sich in einem wohlüberlegten TV-Auftritt | |
erstmals zu den Ereignissen in New York. Er leistet Abbitte - und bedauert | |
vertane Chancen. | |
Vorwahl der französischen Sozialisten: Wahlkampf der Dinosaurier | |
Im Kampf um die sozialistische Präsidentschaftskandidatur haben einige | |
Kandidaten eine ungewöhnliche Online-Strategie entwickelt: Je | |
rückständiger, desto besser. | |
Höhere Steuern gefordert: Reiche wollen mehr zahlen | |
Immer mehr Milliardäre in immer mehr Ländern wollen lieber höhere Steuern | |
zahlen als zusehen, wie die Staaten sich kaputtsparen. |