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# taz.de -- Strauss-Kahns Fernsehbeichte: Verpasstes Rendezvous mit Frankreich
> Dominique Strauss-Kahn äußert sich in einem wohlüberlegten TV-Auftritt
> erstmals zu den Ereignissen in New York. Er leistet Abbitte - und
> bedauert vertane Chancen.
Bild: "Ich bedaure das zutiefst", sagt DSK über seine verpasste Chance, Frankr…
PARIS taz | Was ist am 14. Mai in der Suite des New Yorker Sofitel
geschehen, bevor der damalige IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn (DSK)
wenig später unter Vergewaltigungsverdacht verhaftet und in Handschellen
abgeführt wurde? Erstmals lieferte DSK am Sonntagabend seine eigene Version
der Ereignisse, ohne allerdings in die Einzelheiten zu gehen. Er
entschuldigte sich aber öffentlich bei seiner Gattin und bei seinen
Landsleuten, die ihn als nächsten Präsidenten gesehen hatten. Ja, er habe
Staatschef werden wollen, räumte er ein, und das sei nun
"selbstverständlich nicht mehr aktuell". Er habe sein "Rendezvous mit den
Franzosen verpasst", gestand er. "Ich bedaure das zutiefst."
Bei dem, was zwischen ihm und der Hotelangestellten Nafissatou Diallo
gewesen sei, habe es sich nicht um bezahlten Sex gehandelt, aber auch in
keiner Weise um Gewalt, Zwang oder eine Form von Aggression. Er spricht von
"einem moralischen Fehler" gegenüber seiner Frau Anne Sinclair, seinen
Freunden und allen Franzosen. Er pochte in seinem Plädoyer immer wieder auf
den Bericht der New Yorker Staatsanwaltschaft, der die Anklage gegen ihn in
jedem Punkt entkräftet habe.
Er erzählte, wie er nach seiner Festnahme wirklich Angst gehabt habe. Die
US-Justiz sei "eine Maschine, die dich zermalmen kann". Er habe jedenfalls
in diesen Wochen "für immer meinen Leichtigkeit verloren", erklärte DSK im
Interview auf dem Sender TF1 vor der versammelten Fernsehnation. Für die
wenigen, die da noch Zweifel hatten, bestätigte er, dass er nicht Kandidat
bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr sei, dabei aber den Sieg
der Linken wünsche.
Dominique Strauss-Kahn hatte für dieses Plädoyer die Wahl der "Waffen" und
des Orts. Nachdem zunächst ein langes Interview mit einem
Nachrichtenmagazin erwogen wurde, entschied er sich schließlich für einen
breiter wirksamen Fernsehauftritt auf TF1, dem Privatsender mit den größten
Einschaltquoten.
Als Interviewpartnerin hatte er da eine gute Bekannte, die ihn nicht unter
der Gürtellinie angreifen würde: Die Tagesschaujournalistin Claire Chazal
ist eine Freundin seiner Gattin Anne Sinclair. Sie stellte zwar die Fragen,
auf die alle eine Antwort wollten, insistierte aber nicht, um
beispielsweise Details zu dieser schicksalhaften Begegnung mit Diallo im
Sofitel zu bekommen.
## Verdacht der Schande bleibt
Seit seiner Rückkehr aus den USA am 4. September hatte DSK mit seinen
Kommunikationsberatern und seiner Frau darüber diskutiert, wie er seinen
Landsleuten erklären sollte, was für viele letztlich unentschuldbar bleibt.
Gerade für seine engsten Freunde, die oft ihre Karriere auf diesen
brillanten Politiker und Wirtschaftsexperten investiert hatten, aber auch
für zahllose Wähler, die in ihm den besten Präsidentschaftskandidaten oder
sogar schon den zukünftigen Staatschef Frankreichs gesehen hatten, war
diese Affäre eine herbe Enttäuschung, über die sie auch nach ein paar
Worten der Entschuldigung nicht so leicht hinweg kommen dürften.
Für die meisten seiner sozialistischen Parteikollegen scheint dieses Hoffen
auf DSK ein abgeschlossenes Kapitel zu sein; abgesehen von wenigen
Mitarbeitern reagieren sie eher mit Verlegenheit auf Fragen nach ihrer
Haltung gegenüber diesem Heimgekehrten, über dem trotz der Einstellung des
Strafverfahrens in New York immer noch der Verdacht der Schande schwebt.
Wird seine von Reue geprägte Abbitte am Fernsehen etwas an der Meinung
ändern, die sich die Franzosen und Französinnen laut Umfragen inzwischen
gebildet haben? Immerhin wünschten vor diesem Auftritt noch 22% der
Befragten, dass er trotz allem im Frühling 2012 gegen Sarkozy kandidieren
werde. Eine große Mehrheit wünschte vor seinem Auftritt jedoch nicht sein
politisches Comeback in Wahlarena.
Gelassen möchte DSK nun auch der von ihm erhofften und erwarteten
Einstellung der Ermittlungen wegen Vergewaltigungsversuchs in Frankreich
entgegensehen. Bei einer polizeilichen Befragung als "Zeuge" hatte er vor
einer Woche angeblich erklärt, er habe zwar damals im Februar 2003
versucht, bei einem Interview die heutige Klägerin Tristane Banon, die er
willig wähnte, zu küssen, er sei aber keinesfalls weiter gegangen und habe
sofort von ihr abgelassen. Bezüglich der zivilrechtlichen
Schadenersatzforderung von Diallo in New York meinte er, das belege nur die
Vermutung, dass sie finanzielle Motive habe. Er werde jedenfalls nicht über
eine Einigung mit ihr verhandeln.
19 Sep 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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