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# taz.de -- US-Richter lässt Anklage gegen DSK fallen: Frei und doch verloren
> Am Ende ging es nicht mehr um Unschuld, sondern um Unglaubwürdigkeit: Das
> Verfahren gegen Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung wurde
> eingestellt.
Bild: Wieder ein freier Mann: Dominique Strauss-Kahn in New York.
WASHINGTON taz | Es ist der Schlusspunkt unter einem Skandal, der viele
Opfer zurücklässt: Der New Yorker Richter Michael Obus hat am
Dienstagmittag (Ortszeit) die Anklage gegen den ehemaligen IWF-Chef
Dominique Strauss-Kahn fallengelassen. Er folgte damit dem Antrag von
Oberstaatsanwalt Cyrus Vance. "Nach den Anklagepunkten müsste Strauss-Kahn
nachgewiesen werden, dass er mit Gewalt und ohne Zustimmung der Klägerin
mit ihr in einen sexuellen Akt verwickelt war", begründete Vance den
Rückzieher. "Der Beweis dieser beiden elementaren Elemente, Gewalt und
fehlende Zustimmung, beruht allein auf der Aussage der Zeugin. Ihre Aussage
ist jedoch aus verschiedenen (...) Ursachen erheblich beschädigt worden."
Vance beschrieb die Entscheidung, die Anklage gegen den Franzosen nicht
weiter voranzutreiben in einer Erklärung als "nicht einfach". Doch Job der
Richter sei es, für Gerechtigkeit zu sorgen und nicht um jedem Preis für
Verurteilungen. "Ich glaube, unsere Entscheidung ist absolut richtig, legal
wie ethisch."
Genauso schnell wie der 62-jährige Franzose am 14. Mai festgenommen war,
wurde Strauss-Kahn jetzt im New Yorker Strafgericht wieder offiziell für
frei erklärt. Keine halbe Stunde dauerte die Verhandlung, die seine Frau
Anne Sinclair vom Zuschauerrang aus mitverfolgte.
Richter Obus ließ die Staatsanwaltschaft ihre auf 25 Seiten verfassten
Bedenken gegen die Zeugin vortragen. Dann erklärte er sich bereit, die
Empfehlung anzunehmen und das Verfahren ad acta zu legen. Strauss-Kahn
verließ als einer der Letzten den Saal. Sichtlich erleichtert trat er neben
seiner Frau aus dem Gericht, wo die einen jubelten, die anderen
protestierten. "Die letzten zweieinhalb Monate waren für mich und meine
Familie ein Albtraum", erklärte der Mann auf freiem Fuß. Er dankte allen
Freunden, die an seine Unschuld geglaubt haben, ganz besonders seiner Frau
und seiner Familie, die diese Tortur mit ihm durchgestanden hätten.
"Wer nicht selber schon einmal eines schweren Verbrechens angeklagt war,
das er nicht begangen hat, kennt das Maß der Erleichterung nicht, das
Dominique Strauss-Kahn heute fühlt", erklärte sein Anwalt Benjamin Brafman.
Der Staranwalt lobte die Anklage für ihren Mut, das Verfahren einzustellen.
Strauss-Kahns zweiter Anwalt, William Taylor, kritisierte jedoch: "Es ist
fair zu sagen, dass hier kollektiv übereilt geurteilt wurde - nicht nur von
den Behörden, auch von den Medien."
## Von vielen Beteiligten falsch angegangen
Nach Meinung anderer hat die Justiz am Ende ihre Meinung über Klägerin
Diallo genauso schnell und vorurteilsbeladen geformt, wie zunächst über den
als sexuellen Draufgänger verschrienen Strauss-Kahn. "Oberstaatsanwalt
Vance hat einer unschuldigen Frau das Recht auf Gerechtigkeit in einem
Vergewaltigungsprozess verwehrt", so Diallos Anwalt Kenneth Thompson nach
der Verhandlung. "Die Aussicht, dass Strauss-Kahn so einfach ungestraft
fortgeht, ist erschreckend", kritisierte die Chefin des New Yorker
Ortsverbands der Nationalen Frauenorganisation, Sonia Ossorio. Das
Verfahren sei "von vielen Beteiligten falsch angegangen worden, auch vom
Anwalt des Opfers."
Das 32-jährige aus Guinea stammende mutmaßliche Opfer hatte Strauss-Kahn
vorgeworfen, sie in seiner Hotesuite in Manhattan zum Oralsex gezwungen zu
haben. Eine Reihe von Widersprüchen brachten ihre Zeugenaussage bald ins
Wanken. Zum Verhängnis wurde Diallo auch ein von der Polizei
aufgezeichnetes Telefonat zwischen ihr und einem befreundeten Häftling, in
dem der Satz gefallen sein soll: "Der Typ hat sehr viel Geld. Ich weiß, was
ich tue.
Strauss-Kahn, dessen Karriere durch den Vorfall beendet wurde, hatte stets
erklärt, es sei in beiderseitigem Einverständnis zu dem Akt gekommen. Er
freue sich nun sehr darauf, "nach Hause zurückzukehren und wieder so etwas
wie ein normaleres Leben zu führen", ließ Strauss-Kahn am Dienstag
verlauten.
Doch der Heimweg nach Paris blieb ihm zunächst versperrt. Erst verzögerte
ein Antrag von Diallo beim Berufungsgericht auf Wiederaufnahme des
Verfahrens unter einem anderen Staatsanwalt die Freigabe seiner Pässe. Dann
erschütterte auch noch ein Erdbeben die US-Ostküste, woraufhin die
Flughäfen kurz geschlossen wurden. Am Abend gab es dann endgültig grünes
Licht. Das Berufungsgericht wies Diallos Antrag zurück. Strauss-Kahn, so
eine Justiz-Sprecherin, bekomme seine Reisepässe umgehend zurück.
Bevor er nach Frankreich fliegt, wird er zunächst in Washington erwartet,
wo er ein Haus hat. Von dort, so spekulierten US-Medien, käme Strauss-Kahn
vielleicht doch noch rechtzeitig zum Präsidenschaftswahlkampf in Frankreich
an.
24 Aug 2011
## AUTOREN
Antje Passenheim
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