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# taz.de -- Schöne neue Facebook-Welt: Bitte drinnen bleiben!
> Mit neuen Diensten integriert das soziale Netzwerk immer mehr Medien.
> Ziel ist es, Nutzer länger auf Facebook zu halten – und noch mehr Daten
> zu sammeln.
Bild: Zum Zeitunglesen Facebook nicht mehr verlassen: Die "Guardian"-Fanpage.
BERLIN taz | Das Wall Street Journal ist im Internet nicht gerade billig:
155 US-Dollar plus Mehrwertsteuer zahlt man für den vollen Zugang im Jahr.
Ansonsten gibt es im Web ohne Abo nur ausgewählte Gratis-Inhalte – und
viele "Bitte abonnieren Sie"-Erinnerungen. Wer seit kurzem bei Facebook die
neue Anwendung "WSJ Social" für sein Profil freischaltet, bekommt ein
breites Inhaltsangebot des Wirtschaftsblattes dagegen gratis.
Die Zeitung des Medienriesen News Corporation ist eine Inhaltepartnerschaft
mit dem Social-Networking-Marktführer eingegangen. Schlauer noch: Wer im
WSJ stöbern will, muss Facebook gar nicht mehr verlassen, die Artikel
tauchen direkt in der Anwendung auf. Bei der liberalen britischen Zeitung
Guardian sieht es ganz ähnlich aus. Dessen Gratis-Facebook-App ist
ebenfalls voll in das soziale Netzwerk integriert.
Die neuen Angebote setzen voll auf das, was Facebook-Gründer Mark
Zuckerberg "Open Graph" nennt: Immer mehr Daten von Nutzeraktionen sollen
zu Facebook zurückfließen und dort den Usern erlauben, sich und ihre
Interessen darzustellen. Das klappt in der neuesten Nachbesserung des
Social Networks sogar vollautomatisch.
Wer die Guardian-App installiert, wird zum "Social Reader": Jeder Artikel,
den man gelesen hat, wird in die sogenannte Timeline des eigenen Profils
gelegt. Die Timeline können Freunde dann bestaunen, um zu sehen, wofür sich
der Freund interessiert hat – oder, wenn man sich noch offener fühlt und
eine entsprechende Freigabe wählt, sogar die ganze Welt. Da darf einem dann
nicht peinlich sein, wenn man etwas zu oft auf Guardian-Artikeln surft, die
mit Jobsuche zu tun haben oder mit bestimmten Krankheiten.
## Auf der Timeline alles offenbaren
Wie das Blatt [1][in seinen FAQ erläutert], ist dies so gewünscht: "Die
Guardian-Facebook-App ist eine 'Social Reading'-Umgebung. Die Leute werden
Links zu den Artikeln sehen, die Sie innerhalb der App gelesen haben. (...)
Wir denken, dass das den Leuten helfen wird, Inhalte zu finden, die ihnen
gefallen." Dabei muss der User nur ein einziges Mal freigegeben haben, dass
die Inhalte mit der Facebook-Timeline "geteilt" werden: Danach darf die App
publizieren, was das Zeug hält.
Das gilt im übrigen nicht nur für den Guardian oder andere Medien-Apps
neuen Stils. Auch der neue Musikdienst Spotify, ein Rezeptdienst oder eine
Joggingplattform arbeiten ähnlich: Einmal freigegeben, wird schon erfasst.
Beim Guardian läuft das dann beispielsweise darauf hinaus, dass man
Artikel, die man der Menschheit nicht mitteilen möchte, explizit entfernen
muss. Facebook-Chef Mark Zuckerberg nennt diesen neuen Ansatz "Frictionless
Sharing" – "Teilen ohne Reibungsverluste". Es ist nicht das erste Mal, dass
Facebook so etwas probiert.
Vor gut vier Jahren hatte das Unternehmen mit "Beacon" ein ähnliches
Angebot am Start. Damals wurde Facebook mit externen Websites verknüpft.
Ohne viel Federlesen landeten dabei dann beispielsweise eingekaufte Waren
oder Filme, für die man im Netz Kinokarten gekauft hatte, im Profil.
"Beacon" wurde nach Nutzerprotesten wieder abgeschafft – und Facebook
musste nach einer entsprechenden Klage von Verbraucheranwälten rund 9,5
Millionen Dollar zahlen.
## Gewöhnt an Automatismen?
Heute scheint das vergessen, offenbar glaubt man bei Facebook, dass die
Nutzer mittlerweile an solche Automatismen gewöhnt sind und sich nicht viel
daraus machen. Stattdessen propagiert der Netzriese, dass man sich mit
neuen Funktionen wie der Timeline, die alle Facebook-Aktivitäten der
letzten Jahre zusammenfasst, "besser als Person ausdrücken" könne.
Für die Medienunternehmen hat die Teilnahme mit eigenen Apps einige
Vorteile. So kassiert das Wall Street Journal zwar derzeit nichts für seine
"WSJ Social"-App. Doch muss man, wenn man sie nutzen will, [2][einen ganzen
Haufen an Nutzerdaten] freigeben. Das sind dann unter anderem Name und
Profilbild, Freundesliste, Netzwerke und Nutzer-ID. Das Wirtschaftsblatt
darf außerdem E-Mails schicken, die Pinnwand beschreiben und all diese
Daten jederzeit nutzen. Die Werbeindustrie dürfte es freuen.
Für Facebook-Nutzer bleibt bei alledem nur, stets auf der Hut zu sein,
welche Informationen eine App abfragt und Aktionen und Postings, wenn
möglich, nur auf kleine Zielgruppen im Freundeskreis zu beschränken. Das
funktioniert seit kurzem [3][zum Glück etwas einfacher]. Oder man meldet
sich ab und liest Inhalte weiter im normalen Web anstatt im geschlossenen
Online-Dienst, zu dem Facebook mehr und mehr wird.
29 Sep 2011
## LINKS
[1] http://www.guardian.co.uk/info/2011/sep/22/guardian-facebook-app-faq
[2] http://www.marketingpilgrim.com/2011/09/the-real-reason-for-the-wsj-social.…
[3] http://www.facebook.com/help?page=768
## AUTOREN
Ben Schwan
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