# taz.de -- Maßnahmen zur Eurorettung: Pakete und Pleiten | |
> Hilfspakete, Rettungsschirme, Schuldenschnitte und andere mögliche | |
> Maßnahmen, um Griechenland, den Euro und die Großbanken zu retten. Ein | |
> Überblick. | |
Bild: Was kann jetzt noch helfen? Griechin vor einer Bankfiliale. | |
Die Eurokrise verschärft sich weiter. Parallel nehmen die Probleme der | |
Eurostaaten zu, die nun alle gleichzeitig gelöst werden müssen. Mindestens | |
vier Themen stehen dabei auf der Agenda, wie beim Treffen von Kanzlerin | |
Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Sonntag in | |
Berlin deutlich wurde: die Schuldenkrise in Griechenland, die | |
Stabilisierung der Währungsunion, eine internationale | |
Finanzmarktregulierung und die Stützung der Banken. Was bedeutet das im | |
Einzelnen? | |
## | |
Bis spätestens November benötigt Griechenland weitere Hilfskredite von 8 | |
Milliarden Euro, um auslaufende Kredite zurückzahlen zu können. Diese | |
Tranche muss von der "Troika" aus Europäischer Zentralbank, EU und | |
Internationalem Währungsfonds (IWF) genehmigt werden, deren Experten | |
momentan in Athen die griechischen Sparbemühungen überprüfen. Wie es aus | |
Verhandlungskreisen hieß, würde am Montagabend ein Ergebnis bekannt | |
gegeben. | |
Bisher hat Griechenland Kredite in Höhe von 65 Milliarden Euro erhalten. | |
Sie stammen noch aus dem ersten Hilfspaket von 110 Milliarden Euro, das im | |
Mai 2010 beschlossen wurde. Doch es ist völlig klar, dass dieses | |
Rettungspaket nicht reichen wird. Daher wurde von den Euroregierungen | |
diesen Juli beschlossen, ein zweites Rettungspaket mit weiteren 109 | |
Milliarden Euro aufzulegen. Zudem sollten sich auch die Banken beteiligen, | |
indem sie Abschreibungen von 21 Prozent hinnehmen. | |
## | |
Inzwischen ist deutlich geworden, dass auch dieses zweite Rettungspaket | |
nicht ausreichen dürfte. Ein Grund: Durch die Sparbemühungen bricht die | |
griechische Wirtschaft ein. Sie wird in diesem Jahr voraussichtlich um 5,5 | |
Prozent schrumpfen, und auch im nächsten Jahr, so die neuesten Prognosen, | |
wird Griechenland in der Rezession verharren. | |
Die Troika soll daher auch die "Tragbarkeit" der griechischen Schulden | |
prüfen. Doch die Finanzmärkte nehmen das Ergebnis vorweg: Selbst wenn die | |
Troika jetzt noch einmal Hilfsmilliarden bewilligen sollte, rechnen die | |
Investoren mittelfristig mit der Insolvenz Griechenlands - also mit einem | |
deutlichen Schuldenerlass, auch Schuldenschnitt genannt, von 50 bis 60 | |
Prozent. | |
Für die Steuerzahler würde eine Insolvenz Griechenlands durchaus teuer, da | |
Griechenland bereits Kredite in Höhe von 65 Milliarden Euro erhalten hat. | |
Auf Deutschland entfallen davon 13,45 Milliarden. Zudem ist die | |
verstaatlichte Hypo Real Estate mit weiteren 10 Milliarden Euro in | |
Griechenland engagiert - die ebenfalls weitgehend abgeschrieben werden | |
müssten. | |
Theoretisch sind zwei Formen der Insolvenz denkbar: Griechenland könnte im | |
Euro bleiben - oder aber die Währungsunion verlassen und wieder die Drachme | |
einführen. Hier haben sich Merkel und Sarkozy eindeutig positioniert: | |
Griechenland soll im Euro bleiben. | |
## | |
Eine Insolvenz Griechenlands würde nicht nur die Steuerzahler belasten, | |
sondern auch für viele Banken Milliardenverluste bedeuten - und sie | |
umgehend in die Pleite treiben. Denn wie der europaweite Stresstest im Juli | |
ergab, lagerten bei den Banken Ende 2010 noch griechische Staatsanleihen in | |
Höhe von 98,2 Milliarden Euro. Vor allem griechische Banken haben ihrem | |
Heimatstaat Kredit gewährt: Sie hielten 67 Prozent dieser Papiere. Es | |
folgten deutsche Banken (ohne Hypo Real Estate) mit knapp 9 Milliarden und | |
französische Banken mit knapp 8 Milliarden Euro. | |
Doch nicht nur die wahrscheinliche Insolvenz Griechenlands belastet die | |
europäischen Banken. Auch Portugal und Irland sind überschuldet. Zudem | |
verlieren die italienischen und spanischen Staatsanleihen an Wert. Mit der | |
französisch-belgischen Bank Dexia schlitterte nun die erste Bank seit 2008 | |
in die Pleite - und es dürfte nicht die letzte Bank bleiben. Entsprechend | |
groß ist das Misstrauen der Institute untereinander. | |
Der sogenannte Interbankenmarkt ist weitgehend zusammengebrochen: Die | |
Banken gewähren sich gegenseitig keinen Kredit mehr, sondern legen ihr | |
überschüssiges Geld lieber bei der Europäischen Zentralbank (EZB) an. In | |
der vergangenen Woche erreichten die Bankeinlagen bei der EZB einen | |
Rekordwert von über 200 Milliarden Euro. | |
## | |
Um das Misstrauen auf den Finanzmärkten zu bekämpfen und weitere Pleiten zu | |
verhindern, hilft nur eines: Die Banken benötigen mehr Eigenkapital, damit | |
sie Verluste abfedern können. Schon Anfang September hatte die neue | |
IWF-Chefin Christine Lagarde prognostiziert, dass die europäischen Banken | |
bis zu 200 Milliarden an zusätzlichem Kapital benötigten könnten. Eine | |
"Rekapitalisierung" ist nun offenbar beschlossen. Jedenfalls erklärten | |
Sarkozy und Merkel am Sonntagabend, sie seien sich darin "völlig einig". | |
Nähere Details wurden jedoch nicht bekannt. | |
Vor dem Treffen hatten sich allerdings eklatante Meinungsverschiedenheiten | |
abgezeichnet. So stellt sich Sarkozy offenbar vor, die Banken mit Mitteln | |
des EU-Rettungsschirms EFSF zu unterstützen. Solch eine gesamteuropäische | |
Lösung lehnt Merkel jedoch ab. Sie will die Banken zunächst verpflichten, | |
sich Geld auf den Kapitalmärkten zu beschaffen, indem sie neue Aktien | |
ausgeben. Falls dies misslingt, sollen zuerst die einzelnen Heimatstaaten | |
einspringen. | |
## | |
Eines ist schon jetzt klar: Der EU-Rettungsschirm EFSF mit seinen 440 | |
Milliarden Euro ist zu klein. Das Geld reicht nicht, um Pleitestaaten wie | |
Griechenland zu retten, Staatsanleihen von bedrohten Ländern wie Italien | |
oder Spanien aufzukaufen - und eventuell auch noch Kapitalspritzen für die | |
Banken bereitzustellen. Doch nach ihrem Treffen machten Sarkozy und Merkel | |
keinerlei Angaben, wie sie den Rettungsschirm ausbauen wollen. Es blieb bei | |
dem Hinweis, "alles Nötige für die Stabilisierung des Euro zu tun". | |
## | |
Am 3. und 4. November treffen sich die Staatschefs der G 20 in Cannes. Bis | |
dahin wollen Merkel und Sarkozy umfassende Maßnahmen und ein | |
Rettungskonzept erarbeiten. Damit die Eurostaaten die Bankenrettung besser | |
vorbereiten können, wurde gestern der ursprünglich für den 17. und 18. | |
Oktober angesetzte EU-Gipfel auf den 23. Oktober verschoben. | |
11 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## TAGS | |
Irland | |
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