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# taz.de -- Krise bei Netzwerk Recherche: Von Kriminellen und Toren
> Die Elite der deutschen Enthüllungsjournalisten muss sich selbst neuen
> Enthüllungen stellen. Der langjährige Vorsitzende Thomas Leif wird dabei
> scharf angegriffen.
Bild: Die Vorstandsmitglieder der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche Da…
Ein öffentlich gewordener interner Briefwechsel gibt Einblicke in die
Stimmung bei der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche. Er enthält
eine Abrechnung mit dem Gründer des Vereins und langjährigen Vorsitzenden
Thomas Leif, Chefreporter beim SWR. Der sei "größenwahnsinnig" gewesen, von
ihm verantwortete Vorgänge kriminell und seine Handlungen vorsätzlich. Es
sei dumm gewesen, ihm zu vertrauen.
So urteilt Hans Leyendecker, amtierender Vorstand beim Netzwerk Recherche
und Investigativ-Reporter bei der Süddeutschen Zeitung über seinen
ehemaligen Vorstandskollegen in einem Brief an den emeritierten
Journalistik-Professor Michael Haller. Die Korrespondenz wurde beim
Branchenportal [1][Meedia veröffentlicht].
Hintergrund ist eine Krise des Journalistenvereins: Das Netzwerk Recherche
hat vier Jahre lang zu Unrecht Fördergelder der Bundeszentrale für
politische Bildung (BpB) für ihre Jahreskonferenzen erhalten. Bedingung für
die Unterstützung war, dass die Veranstaltungen ohne die Staatsmittel Miese
machen würden. Doch das war bei den Veranstaltungen wohl nur auf den
Abrechnungen gegenüber der BpB der Fall.
## Der Kontrollpflicht nicht nachgekommen
Laut dem Untersuchungsergebnis von Wirtschaftsprüfern aus diesem Jahr im
Auftrag des Vereins gab es in den entsprechenden Jahren keine Verluste bei
den Veranstaltungen. Das Netzwerk hat das Geld an die BpB zurückgezahlt.
Insgesamt geht es um rund 75.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden
ermittelt nun gegen den inzwischen ehemaligen Vorsitzenden Thomas Leif. Er
hat angekündigt, sich erst nach Abschluss des Verfahrens offen zu äußern.
Journalistik-Professor Michael Haller, der für die taz nicht zu erreichen
war, hatte sich an den aktuellen Vorstand gewandt und besonders die Rolle
Leyendeckers hinterfragt. Der sei Teil des geschäftsführenden Vorstandes
gewesen. Haller fragt, warum er zugelassen habe, dass Leif allein
unterschriftsberechtigt gewesen sei und ohne Kontrolle Finanzgeschäfte
tätigen konnte. In "pingeligen Rechercheberichten" in der Süddeutschen
würden Geschäftsleitungsmitglieder von Unternehmen kritisiert, weil sie
ihren Kontrollpflichten nicht nachgekommen sind.
Außerdem will Haller wissen, warum nicht der ganze Vorstand zurückgetreten
sei. Und ob es stimme, dass es ein "gewachsenes Vertrauensverhältnis"
zwischen der mit der Wirtschaftsprüfung beauftragten Kanzlei und
Leyendecker gebe. Deren Honorar sei zu hoch.
Leyendeckers Konter: "Leif brauchte einen zweiten Vorsitzenden, der nicht
hinschaute. Dies nicht verstanden zu haben, war töricht", schreibt er. Ein
Rücktritt des gesamten Vorstands hätte die Existenz der Vereins gefährdet.
Er habe keine Geschäftsbeziehung zu der Kanzlei gehabt. Allerdings war der
Gründer der Kanzlei der Verteidiger in einem spektakulären
Wirtschaftsstrafverfahren, über das Leyendecker berichtete.
## 250€ pro Stunde sind üblich
"Es ist schwierig, in Deutschland Kanzleien zu finden, mit denen ich nichts
zu tun hatte", erklärt er der taz auf Nachfrage. Er habe mit der Auswahl
nichts zu tun gehabt. Markus Grill, Vorstandsmitglied von Netzwerk
Recherche und Autor beim Spiegel, bestätigt das. Er habe die Kanzlei
ausgewählt, weil sie ihm von einem Kollegen im Wirtschaftsressort empfohlen
wurde. Ausschlaggebend sei gewesen, dass die Prüfer von Mainz aus arbeiten
- nahe dem Vereinssitz Wiesbaden. Die Kosten für die Kanzlei von etwa 250
Euro pro Stunde seien "ein übliches Honorar".
Netzwerk Recherche hat am Dienstag auch einen Zwischenbericht der
Wirtschaftsprüfer und die Stellungnahme von Thomas Leif auf seiner Website
veröffentlicht - der Abschlussbericht ist schon länger online. Am 11.
November findet die nächste Mitgliederversammlung des Vereins statt, ein
neuer Vorstand wird gewählt. Hans Leyendecker hat angekündigt, nicht wieder
anzutreten.
13 Oct 2011
## LINKS
[1] http://meedia.de/print/schlammschlacht-im-netzwerk-recherche/2011/10/10.html
## AUTOREN
Daniel Kummetz
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