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# taz.de -- Netzwerk Recherche: Kontrolleure außer Kontrolle
> Der Journalistenverein Netzwerk Recherche hat sich wohl ärmer gerechnet
> als er ist. So erhielt er Mittel von der Bundeszentrale für politische
> Bildung.
Bild: Thomas Leif, der scheidende Vorsitzende von "Netzwerk Recherche".
BERLIN taz | Das Netzwerk Recherche (NR) verdankt diesem Mann eigentlich so
viel: Thomas Leif, damals wie heute Chefreporter des SWR, hat den Verein
vor gut zehn Jahren mitgegründet und aufgebaut, um die investigative
Recherche zu stärken, für die in Deutschland nur so wenige Journalisten
Zeit haben. Leif sorgte dafür, dass das Netzwerk Recherche immer Geld
hatte, er gewann großzügige Spender und beschaffte Fördergelder - fast im
Alleingang.
Doch seit einigen Wochen hat der Verein wegen seines Gründers ein Problem:
Leif hat NR offenbar systematisch ärmer gerechnet, als es tatsächlich war.
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Verdacht auf Betrug
und Untreue. Es wurde Anzeige von einem nichtbeteiligten Anwalt erstattet.
"Thomas Leif hatte die Ideen und hat für das Geld gesorgt", sagte Hans
Leyendecker, NR-Gründungsmitglied und bis vor kurzem zweiter Vorsitzender,
der taz. "Aber die Kontrolle hat versagt."
Leyendecker hätte die Finanzen überprüfen können, habe dies aber aufgrund
vieler anderer Verpflichtungen versäumt. Auch er ist nach eigenen Angaben
zurückgetreten, leitet das NR aber derzeit kommissarisch. Den Rest des
Vorstands, so der Investigativjournalist, treffe keine Schuld, weil er
bislang keine Einsicht gehabt hätte.
Die finanziellen Ungereimtheiten wurden bekannt, als sich der Vorstand Ende
Mai mit der Absicht, eine Stiftung gründen zu wollen, näher mit den
Finanzen befasste. Bei der Jahrestagung Anfang Juli kam der Skandal ins
Rollen, Thomas Leif musste zurücktreten, von einem "Putsch" war die Rede.
Das Netzwerk beauftragte Wirtschaftsprüfer, um die Unregelmäßigkeiten zu
klären. Der Bericht steht nun online. Er bestätigt die Vorwürfe gegen Leif
und bringt noch weitere Unregelmäßigkeiten ans Licht.
## Die Vereinsverluste gab es nicht
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hatte dem Verein von 2007
bis 2010 jeweils rund 20.000 Euro für die Jahrestagungen gezahlt. Es geht
um eine sogenannte Fehlbedarfsfinanzierung, welche die Vereinsverluste
durch die Jahreskonferenzen ausgleichen sollten. Doch die Verluste hat es
gar nicht gegeben.
Leif hatte die Einnahmen heruntergerechnet, bestätigen die
Wirtschaftsprüfer. So hat Leif im Jahr 2010 angegeben, durch
Mitgliedsbeiträge 18.460 Euro eingenommen zu haben. Tatsächlich kamen
jedoch 28.850 Euro zusammen. Dieselbe Praxis findet sich auch 2008 und
2009. Insgesamt wurden Mitgliedereinnahmen in Höhe von 33.610 Euro
verschwiegen.
Leif erklärte die Differenz gegenüber den Wirtschaftsprüfern so: Die
Westdeutsche Allgemeine Zeitung habe gegenüber NR eine Spende für die
Jahreskonferenz angekündigt. Darum habe er die rund 10.000 Euro mehr
angegeben. Später habe sich herausgestellt, dass die Spende nicht für die
Konferenz, sondern für den Verein gedacht war. Doch dies spielt für die
Prüfer keine Rolle.
## Falsche Angaben, verschwiegene Spenden
Wenn die Spenden ursprünglich für die Jahreskonferenzen gedacht waren, was
auch aus einer handschriftlichen Notiz hervorgeht, dann hätten sie
angegeben werden müssen. Es hätte kein Geld der Bundeszentrale fließen
dürfen. Das Netzwerk hat mittlerweile die gesamte Fördersumme von 75.767
Euro an die bpb zurückgezahlt.
20.000 Euro soll das NR aber zurückbekommen. Denn die bpb verzichtete 2007
laut dem Bericht auf eine Detailprüfung der Fördersumme. Die Bundeszentrale
weist dies zurück. Laut Leyendecker muss der Verein die 20.000 Euro
zurückverlangen, sonst wäre dies Untreue. Die Bundeszentrale trifft sich
wegen dieser Frage heute mit den Wirtschaftsprüfern.
Dies sind nicht die einzigen Ungereimtheiten. Verschwiegen wurde laut dem
Bericht auch eine Spende der Rudolf-Augstein-Stiftung in Höhe von 30.000
Euro. Eine Spende der IngDiba in Höhe von 20.000 Euro wurde nicht richtig
verbucht. Außerdem wurden Publikationskosten in Höhe von über 43.000 Euro
als Kosten der Jahreskonferenzen angegeben. Laut den Prüfern hätten sie als
Vereinskosten berechnet werden müssen.
24 Aug 2011
## AUTOREN
Martin Rank
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