# taz.de -- Krisenproteste in Italien: In Rom brennt es | |
> Mit fast 200.000 DemonstrantInnen finden am weltweiten Aktionstag gegen | |
> die Macht der Finanzmärkte die größten Proteste in der italienischen | |
> Hauptstadt statt. Dann eskaliert es. | |
Bild: Erst demonstrieren Hunderttausend friedlich. Dann brennen die Autos. | |
Rund 200.000 Menschen gingen in Rom friedlich protestierend auf die Straße | |
- doch am Ende reichte die Präsenz von einigen hundert Angehörigen des | |
Schwarzen Blocks: Sie entfesselten stundenlange Straßenschlachten und | |
splitterten den imponierenden Zug in mehrere isolierte Teile auf. | |
Bilanz in der italienischen Hauptstadt: Mehrere ausgebrannte Autos ebenso | |
wie der Brand in einem Bürogebäude des Verteidigungsministeriums. Zugleich | |
trugen diverse Personen teils schwere Verletzungen davon. | |
Gewalt lag von Anfang an in der Luft; so bunt gemischt das Teilnehmerfeld | |
war, so fiel doch schon am Sammelpunkt um 14 Uhr das völlige Fehlen von | |
Familien mit Kindern auf. Schließlich hieß es schon seit Tagen, in Rom sei | |
mit Ausschreitungen und „Widerstandsaktionen“ zu rechnen. | |
Die meisten allerdings waren mit völlig anderen Absichten gekommen. Der | |
enorme Block der Studenten, die Tausenden prekär Beschäftigten, Schüler | |
ebenso wie die Veteranen des Protestes aus Basisgewerkschaften und aus der | |
radikalen Linken nahmen mit zahlreichen Plakaten und Spruchbändern die aufs | |
Korn, die ihnen als Verursacher der Krise gelten. | |
„Ihr könnt alle Blumen abschneiden, aber unseren Frühling werdet ihr nicht | |
stoppen“, hieß es da, oder „Die Krise sollen die zahlen, die sie provoziert | |
haben“. Eine Gruppe von Protestierern war mit selbst gemalten Fahnen | |
unterwegs, auf ihnen nicht Hammer und Sichel, sondern Gabel und Sichel, | |
darunter der Slogan „Eat the rich!“. | |
Doch schon eine halbe Stunde nach Demobeginn begann der kleine Schwarze | |
Block sein Werk: ein paar hundert Leute mit den üblichen Kapuzenshirts, mit | |
Motorradhelmen und teils auch mit Atemschutzmasken. | |
Der Protestzug wurde gleichsam in Geiselhaft genommen. Während die | |
Umstehenden lautstark die Autonomen aufforderten, von Gewaltakten | |
abzulassen, begannen sie zunächst Rauchbomben zu werfen und dann ein Auto | |
abzufackeln. | |
Wenige Kilometer weiter dann ging, einen Steinwurf vom Kolosseum entfernt, | |
ein Bürogebäude des Verteidigungsministeriums in Flammen auf. Gleichsam | |
nebenher wurden die Scheiben eines Supermarkts und einer Leiharbeitsagentur | |
eingeschlagen. | |
Vom Gros der Demonstranten schlug den Black Blockern offene Feindschaft | |
entgegen. „Ihr spielt, doch die Polizei spielt am Ende besser als ihr! Ihr | |
seid stupide!“, warf eine ältere Dame einer Gruppe Vermummter entgegen. Und | |
vom LKW der Basisgewerkschaften kam über den Lautsprecher harsche Kritik | |
gegen „sinnlose Akte der Wut, die zu nichts führen“. „Wir wollen hier we… | |
vermummte Gesichter noch Helme sehen“. | |
An der Strategie, auf den Protest der anderen zu pfeifen und das | |
Auseinanderbrechen des Demonstrationszuges in Kauf zu nehmen, änderte dies | |
jedoch nichts. Im Gegenteil: Je näher die Demonstranten dem Zielort – dem | |
weiten Vorplatz der Basilika San Giovanni in Laterano – kamen, desto härter | |
schlugen die Black-Blocker zu. | |
Am Ende war sie auf dem Platz allein mit der Polizei, hatten sie faktisch | |
die fast 200.000 friedlichen Protestierer vertrieben. Wenig nützte es da, | |
wenn es aus ihren Reihen hieß: „Wir sind 99 %, die Randalierer bloß eine | |
Handvoll“. | |
Vor San Giovanni kam es zu einer stundenlangen Schlacht mit Polizei und | |
Carabinieri. Pflastersteine gegen Tränengasgranaten, dazu immer wieder | |
Einsatzwagen, die gegen die nunmehr recht kleine Menge vorrückten – dies | |
war das Bild. | |
Die Folgen waren dramatisch: Erst überrollte ein Mannschaftswagen einen | |
Demonstranten, dann ging ein Carabinieri-Fahrzeug in Flammen auf. „Wir | |
werden wieder einmal die Debatte über die Gewaltlosigkeit führen müssen“, | |
bemerkt ein Demonstrationsveteran ratlos, während er sich mit eingerollter | |
Fahne auf den Weg zum Bahnhof machte. | |
15 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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