# taz.de -- Aktivisten vor dem Reichstag: Polizei bekämpft Lagerbildung | |
> Die Polizei geht rigoros gegen Zelten als Protestform vor. Das ist | |
> unzeitgemäß, sagt ein Anwalt und beruft sich auf das Verfassungsgericht. | |
Bild: Standmuscheln vor dem Reichstag - für die Polizei ein Problem. | |
Wer die Straßen vor Banken, Regierungssitzen und Börsen besetzen will, der | |
kann am Abend nicht nach Hause gehen. Deshalb gehört das Zelt zu diesen | |
Protesten dazu wie der Ruf nach mehr Demokratie. Doch ausgerechnet in der | |
Hauptstadt hat die Polizei was gegen Camping als Protestform. "Ein Zelt | |
dient nicht der freien Meinungsäußerung", heißt es von der Behörde. Das sei | |
ein längst überholtes Verständnis von Demonstrationen, sagt dagegen der | |
Versammlungsrechtsexperte Sven Richwin. | |
Inspiriert von den Madrider Protesten und der Occupy-Wallstreet-Bewegung in | |
New York waren am Samstag in Berlin und anderen deutschen Städten | |
Zehntausende auf die Straße gegangen. Im Berlin zog die Menge bis zur | |
Reichstagswiese. Die liegt in der "befriedeten Zone" um den Bundestag, das | |
Versammlungsrecht ist hier eingeschränkt. Doch auch an anderer Stelle | |
hätten die Demonstrierenden es mit Zelt-Protesten schwer gehabt. Schon die | |
Acampada-Bewegung, die sich im August auf dem Alex um ein Protestcamp | |
mühte, musste erfahren, dass die Polizei an dieser Stelle nicht mit sich | |
reden lässt: Mit zum Teil rüden Methoden wurden Zelte konfisziert und | |
Protestierer festgenommen. | |
Denn - so die Argumentation der Polizei - wer schläft, könne nicht | |
demonstrieren. Campingartikel hätten auch keinen Themenbezug zur | |
Demonstration und fallen deshalb nicht unter das Versammlungsrecht. In | |
keinem einzigen Fall sei daher ein Zeltcamp von der Versammlungsbehörde | |
genehmigt worden. Wer trotzdem Zelte auf einer Kundgebung aufstellen wolle, | |
der müsse dies als Sondernutzung beim Straßen- und Grünflächenamt | |
beantragen - und Geld dafür bezahlen. | |
Als rückständig verurteilt Richwin den Standpunkt der Berliner Polizei und | |
beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März. | |
Der Versammlungsschutz "ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen | |
argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen | |
gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen", so das | |
Gericht. Schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens oder die | |
Wahl des Ortes könnten die Teilnehmenden Stellung nehmen. Laut Richwin muss | |
daher gerade das Campieren als zeitgemäße Protestform unter das | |
Versammlungsrecht fallen. | |
In anderen Städten ist man mit der Auslegung offensichtlich weiter als in | |
Berlin: Vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main und der HSH | |
Nordbank in Hamburg empören sich Zeltprotestler auch noch im Schlaf. Für | |
Berlin setzt Richwin auf einen Gerichtsprozess im November, bei dem er eine | |
kurdische Aktivistin vertritt. Dabei soll es auch darum gehen, ob und in | |
welcher Größe Zelte von der Versammlungsbehörde genehmigt werden müssten. | |
17 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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