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# taz.de -- Aktivist Tadzio Müller über Bankendemos: "Eine neue Bewegung"
> Erst am Ende habe er Leute getroffen, die er kannte, sagt
> Globalisierungskritiker Tadzio Müller über die "Occupy"-Proteste. Und es
> habe keine Blöcke gegeben.
Bild: "Die Demo in Berlin war nicht so identitär aufgeladen, wie es sonst übl…
taz: Herr Müller, wie haben Sie den Protestsamstag erlebt?
Tadzio Müller: Ich bin die ganze Woche auf Konferenzen gewesen und war
deswegen über die Proteste am Samstag nicht auf dem Laufenden. Deswegen
habe ich am Morgen in meinem Szeneumfeld gefragt: Was geht ab? Im Netz
waren ja ganz unterschiedliche Treffpunkte und Zeiten angegeben. Doch
niemand von denen wusste Bescheid. Ich dachte mir dann: Okay, entweder ist
dort keine Sau. Oder es wird richtig geil, weil ganz viele neue Leute
kommen werden. Genauso war es.
Was genau ist daran "geil"?
Als ich 1997 auf meinen ersten Aktionen war, gab es auch immer irgendwelche
alten Kader, die zu unseren Vorschlägen meinten: Bringt nichts, haben wir
schon mal gemacht, kommt eh keiner. Neue Leute wie ich damals hatten diesen
Zynismus der Alten nicht verinnerlicht. Wir haben das dann trotzdem in die
Hand genommen. Und prompt waren auch viele da. So ähnlich war es auch am
Samstag: Leute, die sonst Demos organisieren, waren nicht oder nur am Rande
beteiligt. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass sich etwas ganz
Spannendes zusammenbraut.
Und war die Demo dann anders als sonst?
Was mir vor allem auffiel: Es gab keine Blöcke. Erst am Ende habe ich ein
paar Leute getroffen, die ich kannte. Getragen haben den Protest neue
Leute, die ich zuvor nie gesehen hatte. Genau so aber entstehen neue
Bewegungen: Alte Strukturen und Identitäten lösen sich auf. Sektierertum
und dieses ganze Blockgehabe kommen eigentlich ja erst, wenn eine Bewegung
am Abklingen ist.
Was ist an Gruppenbildung schlecht?
Nichts an sich, aber Gruppen können sich leicht identitär verfestigen.
Diese Demo hingegen war nicht so identitär aufgeladen, wie es sonst auf
vielen Demos üblich ist.
Aber woran lag es, dass viele derjenigen, die sonst auf die Straße gehen,
fehlten?
Die Erfahrung mit den Krisenprotesten 2009 und 2010 war für viele
Aktivisten ernüchternd. Da wurde viel angestoßen, aber nur wenige kamen.
Und genau dann setzte dieser "Haben wir doch schon mal versucht"-Zynismus
ein. Das stimmt ja auch. Aber nun haben wir eben eine andere Situation.
Die Platzbesetzung vor dem Bundestag hat nicht geklappt. Ist gewisser
Organisierungsgrad nicht doch notwendig?
Das lag ganz allein an den Einsatzkräften. Sie haben den Leuten kurz vor
Mitternacht die Pappkartons unterm Arsch weggerissen, damit sie in der
Kälte sitzen. Das fand ich die peinlichste und kleinlichste Polizeiaktion,
die ich je gesehen habe. Damit war zwar klar, dass wir zumindest in dieser
Nacht nicht bleiben können. Wir waren uns aber auch einig, dass es weitere
Versuche geben wird. Dieses Gefühl, hier geschieht etwas ganz Neues, konnte
auch die Polizei nicht kaputt machen.
Wie, glauben Sie, wird es mit den Protesten in Deutschland weitergehen?
Ich habe keine Ahnung - ich organisiere ja nichts. Ganz persönlich hoffe
ich aber, dass die Camper in Frankfurt und Hamburg bleiben und mehr werden.
In Berlin halte ich es für möglich, dass wir die Bannmeile durchbrechen und
bald jeden Tag um 18 Uhr Treffen vor dem Reichstag durchführen werden. Der
Aufruf ist da. Nächsten Samstag soll es zudem wieder eine größere Aktion
geben. Wenn wir wieder Tausende werden, kann einiges passieren.
Sollen sich die alten Gruppen heraushalten?
Bei der Kundgebung hat sich spontan eine Moderationsgruppe gebildet. Ob sie
handlungsfähig bleibt, kann ich nicht sagen. Etablierte Gruppen, sei es
Attac oder die Interventionistische Linke, sollten ihr Wissen zur Verfügung
stellen. Aber die Sache sollte in der Hand der neuen Leute bleiben.
17 Oct 2011
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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