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# taz.de -- Cybermobbing in der ARD: Das Internet vergisst nie
> Die Masturbationsaufnahmen sind im Netz gelandet. Die folgenden Ausmaße
> des Mobbings bringt "Homevideo" geschickt und emotional berührend auf den
> Punkt.
Bild: Lässt nicht mal seinen Vater (Wotan Wilke Möhring) an sich ran: Mobbing…
Kinder können grausam sein. Hinlänglich bekannt. Keiner, der nicht seine
eigenen Erfahrungen mit dem gefühlskalten Herumhacken auf den Schwächsten
in der Gruppe gemacht hätte. Keiner, der nicht mit den Abgründen des
menschlichen Wirkens in Berührung gekommen wäre. Als Opfer oder Täter oder
beides. Nur menschlich, wer solche Kindheits- und Jugenderinnerungen längst
im hintersten Kämmerchen in die abgedunkelten Ecken verräumt hat.
Um dieses Verräumen, oder besser gesagt, um die Unverräumbarkeit dieser
Grausamkeiten in der heutigen Zeit dreht sich die ARD/Teamworx-Produktion
"Homevideo". Der mit zwei Auszeichnungen beim diesjährigen Deutschen
Fernsehpreis prämierte Film hat sich des Themas Cybermobbing angenommen und
erzählt, welche Dimensionen das Aufeinanderrumhacken, das gegenseitige
Verarschen annehmen kann, wenn das Internet ins Spiel kommt - das Internet,
das nie vergisst.
Der 15-jährige Jakob, ein introvertierter musikaffiner Junge, befindet sich
in einer nicht völlig außergewöhnlichen Lebenssituation. Die Schule
bereitet ihm mehr Probleme als Freude, die Eltern streiten andauernd und
die Loyalität seiner Freunde lässt zu wünschen übrig. Als sich jedoch
zwischen ihm und Hannah (Sophia Boehme), die er seit Längerem anhimmelt,
eine Beziehung anbahnt, scheinen alle Probleme vergessen. Bis seine
Videokamera in falsche Hände gerät.
Seine Mutter verleiht die Kamera an seinen besten Freund, in naiver
Unachtsamkeit, hat ihr Sohn sich doch beim Masturbieren gefilmt. Als das
Video im Internet auftaucht, nimmt die Tragödie unaufhaltsam ihren Lauf.
Jonas Nay, der die Rolle des Jakob eindringlich und bestechend authentisch
verkörpert, hat selbst Erfahrungen damit gemacht, wie gemein Gleichaltrige
sein können. Als er 2006 die Hauptrolle als "Otti" in der Fernsehserie "4
gegen Z" annimmt, steckt er mit 16 Jahren selber noch mitten in der
Pubertät und erntet nicht nur freundliche Reaktionen auf sein
Fernsehengagement. Allerdings hat sich das Mobbing zu seiner Zeit noch in
Grenzen gehalten, mit Cybermobbing musste er keine Erfahrungen machen.
## "Die bösen Töne verklingen nicht"
Welche Ausmaße Mobbing mit den Verbreitungsmechanismen und der
Unwiderrufbarkeit von Inhalten im Internet annehmen kann, bringt
"Homevideo" auf dramaturgisch geschickte und emotional berührende Weise auf
den Punkt, ohne dabei ins Klischeehafte zu verfallen.
Regisseur Kilian Riedhof versteht es hervorragend, das Einzelschicksal
eines pubertierenden Jugendlichen in Deutschland glaubhaft zu erzählen,
realistisch und ohne die oft bei Jugendthemen im deutschen Fernsehen
peinlich aufgesetzt wirkenden Dialoge. Angesiedelt ist die Handlung in
einer relativ normalen Familie mit schwerwiegenden, aber nicht unlösbaren
Problemen.
Jakobs Situation konfrontiert die Familie allerdings mit Folgen ungeahnten
Ausmaßes. "Mobbing bekommt eine ganz andere Dimension im Internet",
bekräftigt Jonas Nay die Aussage des Films. "Die bösen Töne verklingen
nicht."
"Homevideo" thematisiert als erste große deutsche TV-Produktion die neuen,
ernstzunehmenden Probleme und Herausforderungen, die Kinder und Jugendliche
durch das Internet im Schulalltag bewältigen müssen. Zu gelegentlichen
Grausamkeiten, zeitlich und örtlich begrenzt, ist die Aussicht auf eine
nicht enden wollende, allseits präsente Quälerei hinzugekommen.
Jonas Nay, der mit seinen 21 Jahren noch recht nah an der Thematik dran
ist, steht einer möglichen schulischen Aufarbeitung in einem Fach, das
"Medienpädagogik" heißen könnte, allerdings skeptisch gegenüber. "Es ist
schwierig, wenn die Elterngeneration versucht, den Schülern etwas über das
Internet zu erzählen." Ein Austausch zwischen älteren und jüngeren Schülern
sei da vielleicht sinnvoller: "Es ist eine Frage des Zugangs."
"Homevideo", Mi., 19. Oktober, 20.15 Uhr, ARD
19 Oct 2011
## AUTOREN
Max Büch
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