# taz.de -- Kommentar Straßenbau in Bolivien: Ein leuchtendes Beispiel | |
> Bolivien mit seinen starken sozialen Bewegungen zeigt, dass Umwelt- und | |
> Ressourcenkonflikte nicht immer zugunsten von Kapitalinteressen | |
> entschieden werden müssen. | |
In der "demokratisch-kulturellen Revolution" Boliviens ist der Erfolg der | |
Straßenbaugegner ein Meilenstein. Mit ihrem Zweimonatsmarsch haben die | |
Tieflandindianer Staatschef Evo Morales in einem symbolträchtigen Konflikt | |
tatsächlich zum Nachgeben gezwungen. Doch das ist für den Präsidenten kein | |
Gesichtsverlust. | |
Im Gegenteil: Mit dem Beschluss, nun doch keine Straße durch den | |
Amazonasnationalpark Tipnis bauen zu lassen, folgt Morales auch seinem oft | |
zitierten Motto: "Regieren und dabei dem Volk gehorchen." Nach Monaten des | |
Stillstands hat der sozialistische Indígena-Präsident doch noch | |
Führungsstärke bewiesen - und sich dabei selbst über Álvaro García Linera, | |
den mächtigen Vize und Chefideologen des Umbruchs, hinweggesetzt. | |
Möglich wurde das, weil sich die Mehrheit der Bolivianer hinter die | |
Marschierer stellte, wie deren triumphaler Empfang in der Hauptstadt La Paz | |
und das Ergebnis der Richterwahlen vor einer Woche zeigten. Gewiss, die | |
Regierung selbst hat durch ihr autoritäres Vorgehen zu dieser | |
Solidarisierung am meisten beigetragen. Doch nun zieht sie die | |
Konsequenzen. | |
Den Kürzeren ziehen nun die brasilianischen Multis, die am meisten von der | |
Straße profitiert hätten - aber auch die Kokabauern, die ureigenste Basis | |
von Evo Morales. Das 21. Jahrhundert steht nun mal im Zeichen von Umwelt- | |
und Ressourcenkonflikten. Und fast immer werden diese zugunsten von | |
Kapitalinteressen und auf Kosten der unmittelbar Betroffenen entschieden. | |
Das kleine Bolivien mit seinen starken sozialen Bewegungen zeigt nun | |
erneut, dass es auch anders geht. Von der Lösung dieses Konflikts könnten | |
sich sämtliche Regierungen in der Andenregion, aber auch der mächtige | |
Nachbar Brasilien eine große Scheibe abschneiden - von anderen Ländern gar | |
nicht zu reden. | |
23 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Konflikt um Nationalpark in Bolivien: Evo Morales ignoriert Indígenas | |
„Teile und herrsche“ ist das Prinzip des bolivianischen Präsidenten Evo | |
Morales. So setzt er sich im Konflikt um die Straße durch den | |
Tipnis-Nationalpark durch. | |
Kindheit in Bolivien: In der Schule des Verbrechens | |
Antony Guzmán ist zehn, er hat nichts verbrochen. Trotzdem wächst er im | |
Knast mit Vergewaltigern und Mördern auf. Ein Besuch in einem | |
Gefängnisdorf. | |
Spielfilm über Indígenas: Man könnte glatt wehmütig werden | |
"Und dann der Regen" von Icíar Bollaín erforscht die Unterdrückung der | |
Indígenas heute und vor 500 Jahren. Doch die Figuren leiden unter | |
eindimensionaler Darstellung. | |
Neues Waldgesetz in Brasilien: Die Viehzüchter sind zufrieden | |
Das neue Waldgesetz Brasiliens wird demnächst beschlossen. Präsidentin | |
Dilma Rousseff setzt auf Rindfleischexporte und einigt sich mit der | |
Agrarlobby. | |
Nach Protesten in Bolivien: Straßenbau im Urwald gestoppt | |
Aufgrund des Drucks sozialer Bewegungen legt Präsident Morales sein Veto | |
gegen den Bau einer Fernstraße ein. Sie hätte Rodung gefördert, die zum | |
Klimawandel beiträgt. | |
Proteste in Bolivien: Im Triumphzug durch La Paz | |
Die Straßenbaugegner aus dem Tiefland erreichen die Hauptstadt. Sie wehren | |
sich gegen die Zerstörung eines Naturschutzgebietes. Der Druck auf | |
Präsident Morales steigt. | |
Richterwahl in Bolivien: Mehrheit stimmt ungültig | |
Statt – wie von Präsident Morales erhofft – große Unterstützung für sei… | |
Regierung zu zeigen, signalisieren die Ergebnisse der neu eingeführten | |
Justizwahl eine wachsende Unzufriedenheit. | |
Kommentar Bolivien: Ein Denkzettel für Morales | |
In Bolivien wählt laut neuer Verfassung das Volk seine Richter. Und | |
tatsächlich stürmten vier Fünftel der Wahlberechtigten an die Urnen. Und | |
stimmten über Morales ab. |