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# taz.de -- Kommentar Bolivien: Ein Denkzettel für Morales
> In Bolivien wählt laut neuer Verfassung das Volk seine Richter. Und
> tatsächlich stürmten vier Fünftel der Wahlberechtigten an die Urnen. Und
> stimmten über Morales ab.
Es ist ein wunderbar radikaldemokratischer Ansatz: Das Volk wählt seine
Richter, so schreibt es Boliviens neue Verfassung vor. Und tatsächlich
stürmten vier Fünftel der BolivianerInnen an die Urnen - aber weit weniger
als die Hälfte von ihnen stimmten für die Kandidaten, die nach einer
Vorauswahl durch das Parlament zur Wahl standen.
Zudem machten Kritiker aus allen Lagern ihre Wahlzettel durch falsche
Beschriftung mit Protestparolen und Zerreißen ungültig oder gaben sie
unausgefüllt ab.
Das ist ein Denkzettel für Staatschef Evo Morales, der an Deutlichkeit
nicht zu wünschen übrig lässt. Denn dahinter steht nicht nur die Kritik an
der Zusammensetzung der Listen, bei der die Regierungspartei "Bewegung zum
Sozialismus" ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament rücksichtslos
ausgespielt hatte.
Auch Schuldzuweisungen an die konservativen Medien oder gar den
US-Imperialismus sind völlig deplatziert. Vielmehr gibt es ein
weitverbreitetes Unbehagen am zunehmend autoritären Gehabe des Präsidenten,
der noch Ende 2009 mit 64 Prozent wiedergewählt worden war.
Der Protestmarsch der Tieflandindígenas gegen das heftig umstrittene
Straßenprojekt durch einen Nationalpark im Amazonasgebiet trifft dieser
Tage in La Paz ein. Der Umgang mit diesem Konflikt wird nun zu einer echten
Reifeprüfung für Boliviens Führung - und vielleicht entfaltet die Abfuhr
vom Sonntag dabei eine heilsame Wirkung. In offenem Gegensatz zum
Dickschädel Morales hat Vize Álvaro Garcia Linera bereits angekündigt, die
Regierung werde sich dem Votum der direkt Betroffenen bei einer "vorherigen
Konsultation" beugen.
Dabei geht es immerhin um das in der Konvention 169 der Internationalen
Arbeitsorganisation ILO festgeschriebene Völkerrecht von Indigenen zur
Mitbestimmung bei Großprojekten. Sollte solch ein Verfahren im Fall der
bolivianischen Fernstraße tatsächlich sauber über die Bühne gehen, wäre das
auch international ein Durchbruch für die indigenen Völker.
17 Oct 2011
## AUTOREN
Gerhard Dilger
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