# taz.de -- Bedrohter kolumbianischer Abgeordneter: "Ohne Begleitung wäre ich … | |
> Seit 30 Jahren versuchen die Freiwilligen der Internationalen | |
> Friedensbrigaden, bedrohte Personen zu schützen. So auch den Kolumbianer | |
> Ivan Cepeda. | |
Bild: Kämpfen gegen die Regierung: Paramilitärs in Kolumbien. | |
taz: Herr Cepeda, welchen Stellenwert hat die Begleitung von | |
Menschenrechtsverteidigern durch Peace Briges International (PBI) in | |
Kolumbien? | |
Iván Cepeda: Ich bin mehr als ein Jahr von Freiwilligen der | |
Friedensbrigaden bei wichtigen Terminen begleitet worden. Das war enorm | |
wichtig für mich, denn ich bin mir sicher, dass ich ohne die Begleitung | |
Opfer eines Attentats oder eines gewaltsamen Verschwindenlassens geworden | |
wäre. | |
Die Drohungen, die es gegen meine Person und unsere Arbeit gegeben hat, | |
lassen keinen anderen Schluss zu. Die Begleitung durch die Friedensbrigaden | |
war die Grundlage dafür, in Kolumbien zu bleiben und meine Arbeit in der | |
Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen "Movice" und darüber hinaus | |
aufrechtzuerhalten. | |
Sie haben 2009 gemeinsam mit Jorge Rojas von der Menschenrechtsorganisation | |
Codhes ein viel beachtetes Buch über die paramilitärischen Netzwerke im | |
Departamento Córdoba geschrieben. Wie war es möglich, dort zu recherchieren | |
- schließlich gilt Córdoba als Wiege des Paramilitarismus in Kolumbien? | |
Montería, die Hauptstadt des Departamentos Córdoba, ist aus mehrfacher | |
Perspektive eine bemerkenswerte Stadt, denn sie ist nicht nur das | |
strategische Zentrum aller paramilitärischen Operationen, sondern auch | |
Rückzugsgebiet für dessen Führer. Aber vor den Toren von Montería befindet | |
sich auch die Farm von Álvaro Uribe Vélez, der damals noch Präsident war. | |
Die Region ist extrem gefährlich, etliche Massaker wurden dort verübt, | |
viele Menschen mit Gewalt vertrieben und in vielen Regionen des | |
Departamento üben die Paramilitärs die Rolle des Staates aus. Ein sehr | |
brutaler und blutrünstiger Staat, und meine Anwesenheit dort war ein großes | |
Wagnis, ich befand mich mit meinen Begleitern quasi im Schlund des Wolfes. | |
Das wäre ohne die Begleitung von PBI nie möglich gewesen, und das Buch ("A | |
las puertas de El Ubérrimo"), ein Bestseller in Kolumbien, wäre nie | |
erschienen. | |
Wie denken Sie über die beiden Instrumente, die von den Friedensbrigaden | |
eingesetzt werden - die direkte Begleitung und die kontinuierliche | |
Information über die Menschenrechtssituation in ihrem Land. Greift dieser | |
Ansatz? | |
Ja, denn wir benötigen eine solidarische Präsenz aus den Industrieländern | |
in einer globalen Welt, in der sich immer öfter alles um die | |
wirtschaftlichen Austauschverhältnisse dreht. In unseren Ländern geht es | |
jedoch erst einmal darum, Gerechtigkeit, soziale Teilhabe, demokratische | |
Strukturen aufzubauen, die diesen Namen auch verdienen. Wir brauchen ein | |
Gegengewicht, und da helfen uns Organisationen wie PBI. | |
Welches der beiden Instrumente, die Begleitung und die Berichterstattung an | |
Netzwerke und Parlamentarier, erscheint Ihnen wichtiger? | |
Natürlich ist die direkte Begleitung deutlich sichtbarer, sie schafft | |
Vertrauen, sorgt für Rückhalt, aber gleichzeitig sollte man das zweite, | |
deutlich weniger sichtbare Instrument von PBI nicht unterschätzen. Es wirkt | |
im Verborgenen, sorgt im besten Fall für direkten internationalen Druck, | |
sensibilisiert Entscheidungsträger, und das ist immens wichtig. | |
Das klingt, als wäre die Mission von PBI in Kolumbien noch lange nicht | |
beendet? | |
Nein, sicherlich nicht. Grundsätzlich ist der Bedarf deutlich größer als | |
das, was PBI und andere Begleitorganisationen in Kolumbien leisten können. | |
Die Mittel reichen bei weitem nicht, das habe ich wiederholt mitbekommen, | |
und ich weiß von vielen Organisationen, die sich zumindest hin und wieder | |
Begleitung wünschen. | |
27 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geheimdienste in Kolumbien: Spitzeln geht es an den Kragen | |
Der berüchtigte Geheimdienst DAS wird zum Ende des Jahres aufgelöst. Er | |
hatte unter anderem illegal mit paramilitärischen Gruppen zusammen | |
gearbeitet. | |
Gewalt in Kolumbien: Nur ein Anschlag am Wahltag | |
41 Kandidaten wurden ermordet, insgesamt 230 Angriffe und Gewaltakte | |
gezählt. Das ist viel – aber deutlich weniger als noch vor vier Jahren. | |
Bahnbrechendes Urteil in Kolumbien: Ex-Geheimdienstchef muss in den Knast | |
25 Jahre Haft wegen Kollaboration mit rechten Paramilitärs. Der | |
Geheimdienstchef der Regierung, Uribe ist verurteilt worden. Und | |
entschuldigt sich via Twitter. | |
Vergangenheitsaufarbeitung in Kolumbien: Ex-Justizminister muss wieder in Haft | |
Das Oberste Gericht bestätigt ein Urteil gegen Alberto Santofimio Botero. | |
Er hatte 1989 jemanden beauftragt, seinen politischen Rivalen Luis Carlos | |
Galán zu töten. | |
Kolumbianische Justiz wird terrorisiert: Risikoberuf Richter | |
Morddrohungen und Attentate - die Ausübung des Richteramts in Kolumbien ist | |
lebensbedrohlich. Auch unter dem neuen Präsidenten werden Justizangehörige | |
ermordet. | |
Hohe Haftstrafe für Militär: Umdeklarierte Leichen in Kolumbien | |
Er ließ Zivilisten ermorden und gab sie als Guerilleros aus. Dafür wurde in | |
Kolumbien erstmals ein Offizier verurteilt. Die Staatsanwaltschaft | |
ermittelt in 2.000 Fällen. | |
Drogenkrieg in Zentralamerika: Massaker in Guatemala | |
29 Leichen sind im Urwald nahe der Grenze zu Mexiko gefunden worden. Die | |
Saisonarbeiter waren geköpft worden – ein Markenzeichen des Drogenkartells | |
"Los Zetas". |