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# taz.de -- Schuldenschnitt für Griechenland: Großes Misstrauen gegenüber Br…
> So recht will niemand glauben, dass dieser Schuldenschnitt für die
> Griechen etwas Gutes bedeutet. An den teils massiven Einschnitten wird
> sich wohl wenig ändern.
Bild: In Griechenland vertraut man nicht auf den Segen der EU-Politk.
ATHEN taz | Eigentlich ist ein Schuldner überglücklich, wenn ihm 50 Prozent
seiner Verbindlichkeiten über Nacht einfach erlassen werden. Doch in
Griechenland hält sich die Freude über den angekündigten Schuldenschnitt
erst einmal in Grenzen.
Selbst europafreundliche Analysten erklären, man müsse das Kleingedruckte
lesen, bevor der Jubel beginnen könne. Außerdem müsse man sich auch vor
Augen führen, dass der Preis für den Schuldenteilerlass ein noch nie
dagewesener Verzicht auf Souveränitätsrechte zugunsten der EU sei.
"Der Deal bringt eine Atempause, aber auch eine neue Bindung", erklärt die
auflagenstärkste Athener Tageszeitung Ta Nea. "Zuckerbrot und Peitsche",
titelt die nordgriechische Tageszeitung Angelioforos. So manche Analysten
geben sich skeptisch angesichts der unübersichtlichen Machtverhältnisse in
Europa. Andere wiederum sind der Auffassung, die Machtverhältnisse seien
doch ganz einfach: Deutschland habe das Sagen, alle anderen müssten einfach
folgen.
"Der deutsche Panzer bringt ein neues Sparpaket", lautet die Schlagzeile
der linksliberalen Tageszeitung Eleftherotypia. "Deutschland im Anmarsch -
die Deutschen wollen die Asiatisierung Südeuropas", erklärt ein führender
Kommentator des Blattes.
## Der Ministerpräsident als Vaterlandsverräter
Wieder mal unter die Gürtellinie schlägt die einst linke, gelegentlich
konservative und im Endeffekt eher nach dem Opportunitätsprinzip agierende
Tageszeitung Avriani: "Verräterische Unterwerfung und ständige Besatzung
durch die Troika", titelt das Blatt - und vergleicht sogar
Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit dem als Vaterlandsverräter
gebrandmarkten Giorgos Tsolakoglou, der im Zweiten Weltkrieg den deutschen
Besatzern als Ministerpräsident gedient hat.
Das Misstrauen der öffentlichen und auch der veröffentlichten Meinung hat
sich die griechische Regierung zum Teil selbst zuzuschreiben. In den
vergangenen zwei Jahren erklärten nämlich alle griechischen Sparminister
unisono, schmerzhafte Maßnahmen und Einkommenseinschnitte von bis zu 50
Prozent seien absolut nötig, damit es nicht zu einer Umstrukturierung der
Schulden kommt, die Griechenland in den Abgrund stürzen würde.
Jetzt soll auf einmal ein Schuldenschnitt nicht nur wünschenswert, sondern
geradezu erlösend für die griechische Wirtschaft sein? Und wenn ja, warum
ist eigentlich niemand auf die Idee gekommen, die Schulden Griechenlands
schon vor zwei Jahren zu beschneiden, statt immer wieder neue Sparmaßnahmen
und Steuern zu erlassen? Diesen Stimmungswechsel muss man den Menschen erst
einmal in Ruhe erklären.
Die beiden großen Gewerkschaftsverbände, GSEE für den privaten und Adedy
für den öffentlichen Sektor, kündigten für Dienstag ein Treffen an, bei dem
für November weitere Protestaktionen koordiniert werden sollen. Immer
wieder hatten sie in den vergangenen Wochen mit Streiks und Protesten gegen
die Maßnahmen der Regierung revoltiert.
## Renten um 20 Prozent runter
Diese sehen vor, Renten von mehr als 1.200 Euro pro Monat um 20 Prozent zu
kürzen. Ruheständler, die jünger sind als 55 Jahre, müssen sich auf
Kürzungen von 40 Prozent einstellen, wenn sie mehr als 1.000 Euro erhalten.
Die Steuerfreiheit für Einkommen wird von 8.000 Euro auf 5.000 Euro im Jahr
gesenkt.
Die Brüsseler Gipfelergebnisse müssen möglicherweise im Parlament zur
Abstimmung gebracht werden. Entscheidend wird dort das Stimmverhalten der
konservativen Opposition. Bisher war Oppositionsführer Antonis Samaras eher
durch seine Verweigerungshaltung aufgefallen, was ihm auch unheimlich viel
Kritik in der eigenen politischen Familie, der Europäischen Volkspartei,
eingebracht hat.
In einer ersten Stellungnahme kritisierte Samaras am Freitag den Brüsseler
Kompromiss und ließ verlauten, es könne nicht sein, dass Griechenland zum
Pariastaat Europas stigmatisiert wird. Analysten sehen dennoch gute Chancen
dafür, dass Samaras einem künftigen Sparpaket im griechischen Parlament
doch noch zustimmt.
In der sozialistischen Regierungspartei Pasok wollen so manche Abgeordnete
aber gar nicht so lange warten. Laut griechischen Medienberichten plädieren
sie lieber für sofortige Neuwahlen.
27 Oct 2011
## AUTOREN
Jannis Papadimitriou
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