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# taz.de -- Vertrauensfrage in Griechenland: Papandreou droht der Sturz
> Über den Volksentscheid ist in Griechenland ein heftiger Streit
> entbrannt. Finanzminister Venizelos stellt sich gegen Ministerpräsident
> Papandreou. Dieser beruft eine Krisensitzung ein.
Bild: Zerrüttetes Verhältnis: Der griechische Ministerpräsident George Papan…
ATHEN dpa | Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou droht der
Sturz. Zahlreiche Minister und Abgeordnete seiner sozialistischen
Regierungspartei PASOK forderten am Donnerstag die Bildung einer "Regierung
der Nationalen Rettung". Mindestens zwei Abgeordnete haben nach Angaben des
staatlichen Fernsehens NET erklärt, sie wollten Papandreou das Vertrauen
verweigern.
Demnach hätte Papandreou mit nur noch 150 Mandaten keine Mehrheit mehr im
Parlament. Papandreou berief eine Krisensitzung seines Ministerrats zur
Mittagszeit ein. Er hält bislang an seinem Plan fest, die Vertrauensfrage
im Parlament zu stellen - die Abstimmung soll in der Nacht zum Samstag über
die Bühne gehen. Streitpunkt ist, ob auch über den Verbleib des Landes in
der Eurozone abgestimmt werden soll.
Nach der Krisensitzung sollte nach Berichten des staatlichen Fernsehens
auch die Parlamentsfraktion der regierenden Sozialisten tagen. In Athen
gingen Analysten davon aus, dass es "schlagartige" Entwicklungen zu
erwarten seien.
Zahlreiche Minister und Parlamentarier hatten zuvor den griechischen
Premier aufgerufen, seine Pläne zu einer Volksabstimmung zum Hilfspaket für
Griechenland zurückzunehmen.
## Medien nennen mögliche Nachfolger
In den griechischen Medien werden bereits Namen möglicher Nachfolger
Papandreous gehandelt. Darunter ist der frühere Vizepräsident der
Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos. Dies berichtete der Athener
Nachrichtensender Vima 99,5.
Der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996-2004) sei
aus Kreisen der EU vorgeschlagen worden, sagte der Chef der kleinen
ultrakonservativen Partei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS),
Giorgos Karatzaferis. Die Büros der beiden mutmaßlichen Kandidaten waren
für Nachfragen zunächst nicht erreichbar.
Finanzminister Evangelos Venizelos distanzierte sich am Donnerstag von
Aussagen, die Ministerpräsident Giorgos Papandreou kurz zuvor zu dem
Referendum gemacht hatte. "Die Position des Landes ist im Euro(land). Es
ist eine historische Errungenschaft des Landes und kann nicht infrage
gestellt werden", betonte Venizelos in einer schriftlichen Erklärung. Die
Beteiligung Griechenlands an der Eurozone "kann nicht von einem Referendum
abhängig sein".
Das Hilfsprogramm müsse so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden,
sagte Venizelos. Beobachter werteten dies als eine klare Infragestellung
der Macht Papandreous. In der regierenden Sozialistischen Bewegung (Pasok)
"koche die Stimmung", berichteten übereinstimmend griechische Medien. Der
Ministerpräsident will noch die Vertrauensfrage im Parlament stellen, die
Abstimmung soll am Freitag um Mitternacht über die Bühne gehen. Auch ohne
Abweichler hätte er nur eine hauchdünne Mehrheit.
## "Tore der Hölle"
Papandreou hatte in einer eigenen Erklärung angedeutet, die geplante
Volksabstimmung mit einem Votum über den Verbleib Griechenlands in der
Eurozone zu verknüpfen. "Ich glaube, das griechische Volk hat die Weisheit
und das Wissen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die den Verbleib
des Landes in der Eurozone garantieren werden", hieß es in der am
Donnerstag in Athen ausgegebenen Erklärung des Regierungschefs.
Es werde bei dem Referendum "in der Substanz nicht nur um ein
(Hilfs-)Programm gehen". "Es geht darum, ob wir in der Eurozone bleiben
wollen oder nicht", unterstrich Papandreou. Dabei habe das griechische Volk
Rechte, aber auch Verpflichtungen.
Zuvor hatte er im französischen Cannes erklärt, das Referendum werde
wahrscheinlich am 4. Dezember stattfinden. Die Spitzen der Eurozone,
darunter Kanzlerin Angela Merkel, hatten sich vor dem G20-Gipfel in Cannes
überrascht von der plötzlichen Ankündigung einer Volksabstimmung gezeigt
und Papandreou bei einem Gespräch am Mittwochabend massiv unter Druck
gesetzt, möglichst rasch für Klarheit zu sorgen.
Die Auszahlung der nächsten Hilfszahlungen an das hochverschuldete Land
wurde gestoppt. "Papandreou öffnet die Tore der Hölle", titelte das
konservative Boulevardblatt Elefhteros Typos am Donnerstag.
## Kritik von den Sozialisten
Venizelos' Kritik schließen sich immer mehr Minister und Abgeordnete der
Sozialisten an. Der griechische Landwirtschaftsminister Kostas Skandalidis
forderte schriftlich eine Krisensitzung der Parlamentarier der Partei - und
zwar "noch heute". Ein Referendum über den Verbleib des Landes im Euroland
habe "keinen Sinn".
Auch Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis rief dazu auf, keine
Volksabstimmung abzuhalten, sondern das vereinbarte Hilfsprogramm in die
Tat umzusetzen. Eine Abgeordnete forderte die Bildung einer Regierung der
Nationalen Einheit und erklärte, sie werde dem Ministerpräsidenten am
Freitag nicht das Vertrauen aussprechen.
Auch die bürgerliche Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) reagierte scharf
auf die Aussagen des Regierungschefs: "Herr Papandreou ist gefährlich und
muss gehen", hieß es in einer Erklärung der Nea Dimokratia. Es gebe kein
Problem mit dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone. "Das einzige
Problem ist der Verbleib Papandreous im Amt des Ministerpräsidenten."
Eine Abgeordnete der griechischen Regierungspartei hat am Donnerstag mit
Aussagen über ihr Stimmverhalten bei der geplanten Vertrauensabstimmung für
Verwirrung gesorgt. Elena Panariti sagte in einem Hörfunkinterview am
Donnerstag zunächst, sie wolle der Regierung bei der Abstimmung im
Parlament ihre Stimme verweigern. Kurz darauf nahm sie ihre Aussage zurück
und erklärte, sie werde die Volksabstimmung über das neue Hilfspaket für
Griechenland nicht unterstützen.
3 Nov 2011
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