# taz.de -- Syriens Opposition in Arabien: Angst vor Assad auch in Beirut | |
> Viele syrische Oppositionelle haben Zuflucht im Nachbarland gefunden. | |
> Frei äußern können sie sich auch hier nicht. Die Schergen des Regimes | |
> sind überall. | |
Bild: Demonstration gegen Präsident Bashar Assad vor der syrischen Botschaft i… | |
BEIRUT taz | Auf der Straße vor der syrischen Botschaft im zentralen | |
Beiruter Stadtteil Hamra warten täglich dutzende Syrer auf Dokumente oder | |
Beglaubigungen. Durch das Fenster neben dem Eingang ist ein | |
überlebensgroßes Foto des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu sehen. | |
Vor dem Gebäude stehen bewaffnete Männer in Zivil und beäugen die | |
Wartenden. Die Stimmung ist gedämpft, doch sobald man mit Syrern einige | |
Schritte beiseitetritt, gibt es für sie nur ein Thema: die Proteste in der | |
Heimat. | |
"Die Nato hat Libyen geholfen, jetzt muss sie uns helfen", sagt ein junger | |
Mann aus einer Gruppe von Studenten. "Die Nato wird das nicht tun, denn bei | |
uns gibt es kein Öl", glaubt ein anderer. "Die Demokratie kostet Blut", | |
sagt er düster. Ein anderer Student sagt, er sei heilfroh, im Libanon zu | |
sein: "Wenn ich da wäre, würde ich auch auf die Straße gehen. Aber schon | |
der Gedanke macht mir Angst." | |
Mit Sorge und Begeisterung werden im Libanon die andauernden Proteste gegen | |
das Baath-Regime verfolgt. Syrische Exilanten sprechen meist von "der | |
Revolution" und hoffen auf den baldigen Sturz von Baschar al-Assad, während | |
andere libanesische Stimmen eine Destabilisierung des eigenen Landes | |
fürchten. | |
Viele syrische Exilanten halten sich in der libanesischen Hauptstadt auf, | |
Demonstrationen gegen Assad gab es hier trotzdem noch keine. "Jeder, der | |
dazu aufriefe, wäre am nächsten Tag weg. Sie würden dich einfach | |
umbringen", sagt einer der Studierenden. Der syrische Geheimdienst ist im | |
Libanon überall präsent. Erst am vergangenen Freitag wurden drei syrische | |
Dissidenten in Beirut entführt und verschleppt, internationale Medien haben | |
seit Beginn der syrischen Proteste im Frühjahr insgesamt acht solcher | |
Entführungen gezählt. | |
## "Assad ist schlimmer als Hitler" | |
Eine Bäckerei außerhalb von Beirut wird von einer Gruppe von Exilanten | |
betrieben, die alle schon vor dem Regime von Hafis al-Assad, dem Vater des | |
derzeitigen Präsidenten, aus Syrien geflüchtet sind. "Assad ist schlimmer | |
als Hitler", sagt einer der Bäcker, denn Assad "tötet sogar sein eigenes | |
Volk". Sie warten auf den Moment, in dem sie endlich in ihr Land | |
zurückkehren können, doch noch sei es zu gefährlich, noch seien die | |
Proteste nicht stark genug. "Aber schon bald werden wir dich in einem | |
freien Syrien begrüßen können", sagt einer. | |
Die Bäcker loben die türkische Regierung: Die gestattet der bislang recht | |
kleinen Rebellenarmee "Free Syrian Army", sich auf türkischem Territorium | |
zu formieren. Ihr Anführer, der abtrünnige syrische Offizier Riad al-Asaad, | |
bat auf einer vom türkischen Außenministerium organisierten Pressekonferenz | |
letzte Woche in der Türkei die internationale Gemeinschaft um Waffen. "Wir | |
sind bereit, das syrische Regime in kurzer Zeit zu stürzen", sagte der | |
Rebellenführer. | |
Im Libanon können nicht alle solchen Szenarien etwas abgewinnen. "Der | |
Arabische Frühling hat der libanesischen Wirtschaft nicht genutzt", | |
schreibt etwa die Beiruter Zeitung LOrient le Jour. Der Internationale | |
Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für die libanesische Wirtschaft | |
wegen der Unruhen in Syrien auf 1,5 Prozent im Jahr 2011 reduziert. 2010 | |
lag die Rate noch bei 7,5 Prozent. | |
Vor allem der im Libanon überaus wichtige Finanzsektor fürchtet | |
Kapitalflucht: "Die Unruhen in Syrien erhöhen das Risiko, dass sich | |
Investoren zurückziehen und ihr Geld mitnehmen," so die Zeitung. | |
Bis 2005 hielt Syrien den Libanon als "Schutzmacht" besetzt. Bis heute | |
übertritt das syrische Militär nach Gutdünken immer wieder die Grenze auf | |
der Jagd nach Dissidenten, ohne dass es Konsequenzen zu fürchten bräuchte. | |
Die mit Damaskus eng verbundene islamistische Hisbollah-Miliz ist derzeit | |
die maßgebliche Kraft in der libanesischen Regierung. | |
Viele fürchten, dass der seit dem Bürgerkrieg fragile Frieden im Libanon | |
zerbrechen könnte, wenn al-Assad stürzt. "Davor haben die Leute hier | |
einfach Angst", sagt ein europäischer Diplomat in Beirut. Im Oktober hätte | |
der Westen Libanon als das einzige arabische Land im UN-Sicherheitsrat | |
gebeten, die UN-Resolution zu Syrien mitzutragen. Doch Libanon wage es | |
nicht, sich gegen den übermächtigen Nachbarn zu positionieren. "Da war | |
nichts zu machen", sagt der Diplomat. | |
4 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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