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# taz.de -- Schnüffelei auf Festplatten: Streit um Staatstrojaner auch in Polen
> Das polnische Innenministerium hat ein Schnüffelsystem in Auftrag
> gegeben. Das ist illegal. Nun hat Blogmedia24 Strafanzeige gegen die
> Behörde erstattet.
Bild: Staatliche Bürgerbespitzelung ohne gesetzliche Grundlage: Polens Ex-Inne…
WARSCHAU taz | Polens Polizei und Geheimdienst wollen demnächst
Staatstrojaner unbemerkt in private Computer einschleusen, dort vor allem
Internet-Geldüberweisungen ausspähen und dabei auch die von Banken
verwendeten Verschlüsselungssysteme Proxy und Tor unterlaufen.
Noch ist dies illegal. Polens führende Tageszeitung Gazeta Wyborcza fragt
nun, ob es sich bei dem Auftrag zur Trojaner-Entwicklung, die zum
staatlichen Ausspionieren privater Mailboxen und Aktivitäten im Internet
eingesetzt werden soll, um eine Straftat handle, für die das
Innenministerium zur Rechenschaft gezogen werden könne.
Eine Anzeige gegen die "Staatshacker", so die Gazeta Wyborcza, habe Ende
Oktober die Gesellschaft Blogmedia24 bei der Staatsanwaltschaft in Warschau
eingereicht. Das Strafgesetzbuch Polens (Art. 269b) sage ganz klar, dass
weder die Polizei noch die Geheimdienste Polens das Recht hätten,
Hackersysteme zum Ausspähen der Staatsbürger in Auftrag zu geben.
Auf Nachfrage der Blogmedia24 gab Polens Innenministerium unter Jerzy
Miller bereits zu, dass es für einen Teil der in Auftrag gegebenen
Hackersystems keine gesetzliche Grundlage gebe. Aber das neue Parlament
solle in Kürze ein erweitertes Polizei- und Geheimdienstrecht
verabschieden. Vorher würden die Staatstrojaner nicht eingesetzt.
"Es ist nichts Besonderes dabei, dass etwas gebaut wird und die
Legalisierung erst später kommt", wiegelt Sebastian Serwiak, der
Abteilungsleiter für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium, gegenüber
der Gazeta Wyborcza ab. "Zuerst entstand das Auto. Und erst dann wurde das
Verkehrsrecht geschaffen."
## Mit oder ohne gerichtliche Genehmigung?
Schon heute kann ein privater Computer ausgespäht werden, wenn ein Gericht
dem zustimmt. Es müssen ausreichende Verdachtsmomente gegen den Nutzer
vorliegen. Die neue Software soll nun aber auch das Blockieren von
Internetinhalten ermöglichen. Dieses Recht haben bislang ausschließlich die
Inhaber der Server, auf denen sich die inkriminierten Internetseiten
befinden.
Das Chiffrier-System Proxy und das Netz Tor erlauben es, im Internet zu
surfen, ohne Spuren zu hinterlassen. Proxy und Tor chiffrieren und
verdecken die ID-Nummer eines Computers. Auch Banken nutzen die Software,
um ihren Kunden sichere Überweisungen im Internet zu ermöglichen.
Auf Nachfrage der Gesellschaft Blogmedia24 bei Geheimdienst und
Innenministerium, ob sie das neue Trojaner-System mit oder ohne
gerichtliche Genehmigung einsetzen wollten, verwies das Ministerium auf
Regelungen, die es erlauben - ohne Wissen der Telefonkunden - die Liste
aller Verbindungen einer Person einzusehen sowie auf ein Gesetz, das
Polizei und Geheimdienst das geheime Abhören und Abspeichern der Gespräche
einer verdächtigen Person sowie das Anbringen von Wanzen erlauben.
## Über Jahrzehnte gespeichert
Theoretisch ist zwar in allen Fällen die Genehmigung durch ein Gericht
notwendig. Doch in der Praxis werden Informationen von staatlichen Stellen
und Telekom-Firmen als "öffentlich zugänglich" klassifiziert.
Dies gilt auch für GPS-Informationen. Hier wird in der Praxis keine
Genehmigung eingeholt. Sollte das Polizei- und Geheimdienstzusatzgesetz wie
geplant vom neuen polnischen Parlament verabschiedet werden, könnten die
durch ein Trojanersystem gewonnenen Informationen aus einem privaten
Computer ebenfalls als "öffentlich zugänglich" klassifiziert und über
Jahrzehnte gespeichert werden.
Dies zumindest befürchtet die Gesellschaft Blogmedia24. Dass ihre Anzeige
Erfolg haben könnte, bezweifelt jedoch der Strafrechtsprofessor Wlodzimierz
Wrobel: "Prüfen kann man allenfalls, ob öffentliche Gelder zur Entwicklung
eines Ermittlungssystems ausgegeben werden dürfen, für das es keine
rechtliche Grundlage gibt."
9 Nov 2011
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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