| # taz.de -- Wahlkampf im Kongo: Zeit zum Aufräumen | |
| > In der Metropole Kinshasa herrscht schlechte Stimmung vor den Wahlen. Die | |
| > Jugend in den Slums fürchtet, dass sich nichts ändert; die reichen Weißen | |
| > fürchten Gewalt. | |
| Bild: Es stinkt: Der Slum Paka-Djuma unweit von Kongos Parlament in Kinshasa. | |
| KINSHASA taz | Es riecht nach Scheiße in Paka-Djuma. Entlang einer alten | |
| Eisenbahnlinie, die einst durch das Industrieviertel bis zum Hafen von | |
| Kinshasa führte, schlängelt sich ein Bach zwischen den windschiefen Hütten | |
| hindurch: eine grün-schwarze Brühe aus Fäkalien, Plastikflaschen, Tüten und | |
| verrotteten Bananenschalen. | |
| Doch der Gestank scheint Sebastian Nsabolinga nicht zu stören. Der | |
| 30-Jährige mit zerrissenem T-Shirt diskutiert mit seinen Freunden am Ufer | |
| über die Wahlen am 28. November. | |
| "Es wird Zeit, dass Kabila hierherkommt und sich unser Viertel ansieht, | |
| dann wird er uns schon helfen", meint einer von Nsabolingas Freunden, die | |
| wie so viele andere der 10 Millionen Hauptstädter arbeitslos sind und sich | |
| marihuanarauchend den Tag vertreiben. Nsabolinga widerspricht: "Ach, der | |
| hat uns 2006 schon so viel versprochen und nichts gehalten!", brüllt er und | |
| zeigt auf eine Flagge mit Präsident Joseph Kabilas Porträt an einer | |
| Holzhütte. "Im Kongo darf man einfach keinem Politiker trauen", schimpft | |
| er. | |
| Das gilt auch für die Wahlen. Im riesigen Kongo müssen in 62.000 Wahllokale | |
| - zum Teil tief im Dschungel - 4.000 Tonnen Wahlzettel verteilt werden. | |
| Dazu 186.000 Wahlurnen. Die UNO und die russische Botschaft haben lediglich | |
| 180 Flugzeuge und Hubschrauber dafür bereitgestellt. | |
| Von fairen Wahlen sei daher nicht auszugehen, sagt Jean-Claude Katende, | |
| Leiter der Menschenrechtsorganisation von Asadho (Afrikanische Vereinigung | |
| zur Verteidigung der Menschenrechte). Auf den Wählerlisten stünden bereits | |
| 19.000 Namen doppelt. "Das schafft Zweifel an dem Prozess. Die meisten | |
| Kongolesen haben bereits das Vertrauen in die Wahl verloren." | |
| ## Verlassen auf die Chinesen | |
| Evariste Boshab, Generalsekretär von Kabilas Partei PPRD (Volkspartei für | |
| Wiederaufbau und Entwicklung) und zugleich Kongos Parlamentspräsident, gibt | |
| sich siegessicher. Er trägt ein T-Shirt mit Kabila-Porträt, das sich über | |
| seinen Bauch spannt. "Wir werden Kabilas Kurs fortsetzen", antwortet er auf | |
| die Frage nach seinem Parteiprogramm. Das heißt? "Brücken und Straßen | |
| bauen, das Land modernisieren." | |
| Auf Kabilas Wahlplakaten ist sogar ein Hochgeschwindigkeitszug zu sehen, | |
| der durch den Urwald braust. Dabei, so Boshab, verlasse man sich auf Kongos | |
| "treueste Partner", die Chinesen. Dann spricht er von Armeereform, | |
| Justizreform, Privatisierung. Erst beim Thema Korruptionsbekämpfung geht | |
| ihm die Luft aus - er selbst war 2004 wegen Korruptionsvorwürfen als | |
| Kabinettschef zurückgetreten: "Die Opfer der Korruption müssen Mut zur | |
| Denunziation aufbringen", sagt er. | |
| Kongos Korruption - ein Dauerthema, das der Opposition Argumente liefert. | |
| Allen voran Kabilas mächtigstem Herausforderer Etienne Tshisekedi und | |
| seiner UDPS (Union für Demokratie und sozialen Fortschritt). Tshisekedis | |
| Berater Valentin Mubake mobilisiert in Kinshasa für den Wahlkampf. | |
| ## Kabilas "Mafiastaat" | |
| An Kabilas "Mafiastaat" hat er viel auszusetzen: "Der Fisch rottet vom Kopf | |
| her", flucht er über die Regierung. "Unser Land ist voller Reichtümer, die | |
| alle in den Taschen der Mächtigen verschwinden." Gäbe es eine | |
| Weltmeisterschaft der Korruption, würde Kongo siegen, meint Mubake. | |
| Falls Kabila die Wahl gewinnt, will Mubake die UPDS-Anhänger zum Protest | |
| mobilisieren. Es ist bereits zu Krawallen zwischen Kabila- und | |
| Tshisekedi-Fans gekommen. Westliche Diplomaten und internationale | |
| Organisationen fürchten Ausschreitungen vor und nach den Wahlen. Auf einem | |
| Botschaftsempfang diskutieren die Weißen über schusssichere Westen, | |
| Evakuierungsrouten und Lebensmittelvorräte. | |
| Von einem solchen Luxus kann Nsabolinga im Armenviertel nur träumen. | |
| "Sicherheit? Die gibt es bei uns eh nicht", sagt er. Viele seiner Freunde | |
| und Nachbarn sind nicht einmal zur Wahl registriert, gibt er zu. Dabei ist | |
| Kongos Parlament nur wenige hundert Meter entfernt. | |
| 9 Nov 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| taz-Korrespondentin entgeht der Polizei: Blutiges Wahlkampffinale im Kongo | |
| Kongos Oppositionsführer Tshisekedi darf in Kinshasa seine | |
| Abschlusskundgebung nicht halten. Er wird festgesetzt, unter den Augen der | |
| taz-Korrespondentin. | |
| Vor den Wahlen im Kongo: Truppen vom Kap | |
| Südafrikanisches Militär soll in der Bergbauprovinz Katanga die Wahlen | |
| absichern. 70 Soldaten wurden bereits eingeflogen. Sie sollen beim | |
| Abtransport der Wahlzettel helfen. | |
| Korruption im Kongo: Gold und Kupfer zu Dumpingpreisen | |
| Die Regierung von Präsident Joseph Kabila hat vor den Wahlen wertvolle | |
| staatliche Mineralienvorkommen an Briefkastenfirmen verramscht, sagen | |
| Kritiker. | |
| Milizenmord im Kongo: Racheaktion für Massenvergewaltigung | |
| Tief im Wald im Osten des Landes wird ein berüchtigter ruandischer | |
| Hutu-Kommandant von Anhängern einer lokalen bewaffneten Grupperiung | |
| umgebracht. | |
| Hutu-Miliz im Kongo: Geflüster im Regenwald | |
| Nach Jahren auf der Flucht vor ruandischen Milizen bauen die Bewohner des | |
| Dorfes Kiuli ihre Hütten wieder auf. Jetzt sollen sie wählen. Können sie | |
| überhaupt dort leben? | |
| Präsidentschaftswahlkampf im Kongo: Sorge um Kongos Wahlen | |
| Angesichts zunehmender Gewalt im Kongo-Wahlkampf haben sich nun UNO und | |
| Afrikanische Union eingeschaltet. Mittlerweile kommt es täglich zu blutigen | |
| Zusammenstößen. | |
| Wahlkampfauftakt im Kongo: Opposition sitzt am Boden fest | |
| Im Kongo tobt der Wahlkampf, auch mit Gewalt. Oppositionsführer Tshisekedi | |
| kann nicht mitmachen - sein Flugzeug aus Südafrika wird nicht ins Land | |
| gelassen. | |
| Jahresbericht über menschliche Entwicklung: Umweltverschmutzung bedroht Arme | |
| Unter den Folgen des Klimawandels leiden hauptsächlich die Menschen in den | |
| armen südlichen Ländern. Das ist das Fazit des UN-Entwicklungsprogramms. | |
| 34.-35. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Der Militärchef packt aus | |
| Paul Rwarakabije sagt gegen seinen Präsidenten aus und belastet ihn stark. | |
| Er ist einer der ehemaligen FDLR-Milizionäre, die aus Ruanda nach Stuttgart | |
| geflogen werden. | |
| Wahlen im Kongo: Doch keine deutschen Urnen | |
| Die "intelligenten" Stimmzettelbehälter für das Votum am 28. November | |
| kommen jetzt aus China. Jedoch könnte der Termin noch einmal verschoben | |
| werden. |