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# taz.de -- Milizenmord im Kongo: Racheaktion für Massenvergewaltigung
> Tief im Wald im Osten des Landes wird ein berüchtigter ruandischer
> Hutu-Kommandant von Anhängern einer lokalen bewaffneten Grupperiung
> umgebracht.
Bild: Flüchtlingsfrauen in einer Notunterkunft im Osten des Kongo.
KINSHASA taz | Einer der wichtigsten Führer der im Kongo aktiven
ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)
ist im Osten des Landes erschossen worden. Nach Angaben aus der UN-Mission
im Kongo (Monusco) wurde FDLR-Oberst Evariste Kanzeguhera alias Sadiki
Soleil am Samstag von Anhängern einer lokalen kongolesischen
Mayi-Mayi-Miliz unter dem Kommandeur Ntabo Ntaberi Cheka getötet. Seine
Leiche wurde jetzt als Kriegsbeute von den Milizen nach Mutongo nahe der
Distrikthauptstadt Walikale im Regenwaldgebiet der ostkongolesischen
Provinz Nord-Kivu gebracht und begraben.
Laut der Webseite der FDLR-Splittergruppe RUD (Sammlung für Einheit und
Demokratie) starb Sadiki bei einem gezielten Mord an einer Straßensperre,
die die Mayi-Mayi nahe Misawu im Urwalddistrikt Walikale errichtet hatten.
Die Bezeichnung "Mayi-Mayi" steht im Ostkongo für lokale bewaffnete
Gruppen, mit denen Kongolesen die FDLR, die eigene Armee oder
rivalisierende Milizen bekämpfen.
Andere Quellen sprechen davon, Sadiki habe sich ein Feuergefecht mit den
Mayi-Mayi geliefert. Dabei sei auch Makanaki, Stellvertreter des
Mayi-Mayi-Anführers Cheka, ermordet worden. Angeblich hatten die beiden ein
Treffen mit Sadiki abgehalten. Das Treffen sei eskaliert.
Sadiki war Chef des 2. FDLR-Bataillons "Montana" in Nord-Kivu und galt in
der FDLR als einer der einflussreichsten Kommandeure. Die Miliz wird teils
von Tätern des ruandischen Völkermordes geführt, ihr Präsident Ignace
Murwanashyaka steht seit Mai in Stuttgart vor Gericht. Sadiki war der
einzige Bataillonskommandant, der unabhängig vom Oberkommando agieren
konnte und direkten Telefon- und E-Mail-Kontakt zu Murwanashyaka bis zu
dessen Verhaftung im November 2009 hatte.
Der Konflikt zwischen Sadikis FDLR-Truppen und der Mayi-Mayi-Miliz von
Cheka geht auf die Massenvergewaltigungen in Luvungi im August 2010 zurück,
als in einer Reihe von Dörfern entlang der Straße zwischen den Städten
Walikale und Masisi fast 300 Frauen und Mädchen in nur vier Tagen brutal
missbraucht wurden. Zuvor hatten die FDLR und Cheka gemeinsam das
Territorium entlang der Straße kontrolliert und gemeinsam die Goldminen
ausgebeutet.
## Streit über Verteilung von Gold
Doch dann war es bei der Verteilung des Goldes und der Frage des Vorgehens
gegen Kongos Armee zu Streit gekommen, so die Ergebnisse der polizeilichen
Ermittlungen damals. Die FDLR habe demnach die Massenvergewaltigungen als
gezielte Rache an Cheka begangen. Die Frauen, Mutter und Töchter von Chekas
Stabschef Sadoke Kikunda Mayele gehörten zu den Opfern.
Angeführt wurde diese Bestrafungsaktion von FDLR-Kämpfer Seraphin Lionceau,
der in Sadikis Bataillon für die Goldminen zuständig ist. Die FDLR
bezichtigte schließlich Chekas Stabschef Mayele selbst, die
Vergewaltigungen angeordnet zu haben. Cheka übergab ihn im Oktober 2010 an
die kongolesischen Behörden; jetzt wird ihm wegen Massenvergewaltigung der
Prozess gemacht. Auch auf Cheka und FDLR-Kommandeur Lionceau haben Kongos
Behörden Haftbefehle ausgestellt.
Der Mord an Sadiki scheint nun Chekas Revanche für die Vergewaltigungen zu
sein. Gleichzeitig kandidiert Cheka für Kongos Parlamentswahlen am
kommenden Montag.
23 Nov 2011
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
Recherchefonds Ausland
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