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# taz.de -- Freiwillige Pflegeversicherungen: "Für die Masse nicht attraktiv"
> Eine private Zusatzversicherung, die die Pflegeversicherung zu einer
> Vollkaskoversicherung macht, ist nicht zu finanzieren. Das meint
> Ex-Wirtschaftsweiser Bert Rürup.
Bild: "Architektenfehler kann man nicht mit Schönheitsreparaturen beheben": Be…
taz: Herr Rürup, die von Ihnen kritisierte kapitalgedeckte
Pflegezusatzversicherung ist vom Tisch. Nun will der
Bundesgesundheitsminister Pflegezusatzversicherungen subventionieren, wenn
Menschen diese freiwillig abschließen. Eine prima Idee?
Bert Rürup: Architektenfehler kann man nicht mit Schönheitsreparaturen
beheben, sondern indem man das Haus abreißt, was allerdings niemand wollen
kann. Eine neue freiwillige individuelle kapitalgedeckte Zusatzversicherung
mit staatlichen Subventionen ist besser als das, was im Koalitionsvertrag
vorgesehen war, aber noch nicht gut.
Warum?
Eine private Zusatzversicherung, die die Pflegeversicherung zu einer
Vollkaskoversicherung macht, ist für die Masse der Versicherten definitiv
nicht zu finanzieren - auch nicht mit hohen staatlichen Subventionen. Was
sinnvoll wäre, ist, die aus dem unvermeidlichen Beitragssatzanstieg
entstehende Belastung zu glätten und gegebenenfalls darüber hinaus ein
höheres Alterseinkommen zu schaffen, um sich Pflegeleistungen kaufen zu
können, die nicht vom Spektrum der Pflegepflichtversicherung abgedeckt
werden.
Versicherer halten Prämien von bis zu 50 Euro für realistisch.
Alles, was oberhalb 10 Euro im Monat liegt, braucht einen sozialen
Ausgleich für Einkommensschwache. Die durchschnittliche monatliche
Prämienhöhe der 15 Millionen Riester-Sparer liegt bei knapp 70 Euro. Wenn
die 30 bis 50 Euro wirklich die angemessene Prämienhöhe sein sollte, wären
dazu beachtliche Subventionen erforderlich, um dieses Produkt für die Masse
der Versicherten attraktiv zu machen. Und ich habe meine Zweifel, ob der
Finanzminister angesichts der Konsolidierungszwänge zustimmen kann.
Wie groß müsste ihrer Meinung nach das Volumen solcher Subventionen sein?
Solange der konkrete Fördermechanismus nicht bekannt ist, ist es unmöglich,
eine halbwegs belastbare Zahl zu nennen. Bundesminister Bahr sollte sich
überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, den Förderrahmen bei der
Riester-Rente und bei der betrieblichen Altersvorsorge leicht anzuheben.
Weil Sie als Unternehmensberater genau solche Altersvorsorgekonzepte
verkaufen?
Bereits lange vor meiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit habe ich
vorgeschlagen, keine neue teure Versicherung einzuführen. Wenn man den
Riester-Förderrahmen nur um einen halben Prozentpunkt anheben würde, also
auf 4,5 Prozent, würde daraus ein zusätzliches Einkommen im Alter
resultieren, welches sehr viel höher wäre als die aus den gestiegenen
Beiträgen der Pflegeversicherung erwachsenden Belastungen im Alter. 2007
hatten wir im Sachverständigenrat ausgerechnet, dass, wenn die Hälfte aller
förderfähigen Personen einen solchen Riester-Vertrag abschließen würde -
gegenwärtig liegt die Quote bei knapp 40 Prozent -, der Staat nur etwa 130
Millionen Euro jährlich mehr aufzuwenden hätte.
Die Pflegezusatzversicherung käme demnach schließlich nur für solche
Menschen infrage, die sich eine Riester-Rente leisten können?
Stimmt. Da aber ohnehin Freiwilligkeit vorgesehen ist, wäre der
Verbreitungsgrad durch das Ausnutzen eines bestehenden Systems auf jeden
Fall höher als bei der Etablierung einer neuen freiwilligen Versicherung.
Der Minister sagt, auch wer im Monat nur 5 Euro übrig hat, soll sich
versichern können.
5 Euro im Monat in eine neue Versicherung zu stecken ist Unfug, da von
jeder Monatsprämie in Schnitt 3 Euro für Verwaltung und Anlage abgehen. Ob
viele Leute freiwillig so eine Versicherung abschließen, halte ich für
zweifelhaft.
11 Nov 2011
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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