Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anhörung zu Schul-Inklusion: Rückenwind für Rabe-Plan
> Experten befürworten Idee einer pauschalen Mittelzuweisung für
> lernschwache Kinder. Ein Problem ist die hohe Belastung der
> Stadtteilschulen.
Bild: Bekommt theoretische Unterstützung: Schulsenator Ties Rabe.
Welche Diagnostik brauchen lernbehinderte Kinder? Darüber wurde am
Freitagabend bei einer Experten-Anhörung des Schulausschusses gestritten.
Zwei der drei zum Thema "Inklusion" geladenen Wissenschaftler sprachen sich
für den Plan von SPD-Schulsenator Ties Rabe aus, die Zusatzförderung für
Kinder in den Bereichen "Lernen, Sprache, soziale und emotionale
Entwicklung" (LSE) künftig "systemisch" zuzuweisen.
In Hamburg hat seit 2010 jedes Kind das Recht, eine normale Schule zu
besuchen. Doch damit fallen auch jährlich hunderte von Gutachten an, die
oft noch vor der Einschulung erstellt werden. Denn die Mittel für ihre
Zusatzförderung bringen die diagnostizierten Kinder per "Rucksack" an die
Schule mit - so regelte es die Vorgänger-Regierung.
Unstrittig ist dieses Rucksack-Prinzip für Kinder mit klassischen
Behinderungen wie Sinnesschädigungen. Doch bei LSE-Beeinträchtigungen, die
gehäuft bei Kindern aus armen Verhältnissen und Einwandererfamilien
feststellt werden, ist es umstritten. Wenn die Mittel für die Unterstützung
von den Kindern bewegt würden, erzeuge das "keine inklusive Haltung",
warnte Erziehungswissenschaftler Rolf Werning von der Leibniz-Universität
in Hannover.
Es komme zu steigenden Zahlen, mancher Lehrer lasse sogar "ein Kind erst
ins Messer laufen", damit er ein Gutachten anfordern kann. Das Etikett
einer Lernbehinderung sei stets mit negativem Effekt behaftet, führe zur
selbsterfüllenden Prophezeiung.
Hamburg müsse überlegen, was es mit seinen Sonderschulen macht, ergänzte
Professor Ulf Preuss-Lausitz von der TU-Berlin. "Es gibt die Neigung, durch
Diagnostik Standorte zu sichern." Das sei "nicht mal böser Wille".
Beide Wissenschaftler sagten, es sei "gesichert", dass in Förderschulen
nicht die beste Förderung erreicht werde. Es fehle der Beleg, dass die
bisherige Exklusion den Kindern nütze.
Für das Rücksack-Prinzip sprach sich dagegen der von der CDU geladene
Wissenschaftler Bernd Ahrbeck aus. Dies mache Sinn angesichts "gering
vorhandener Resourcen". Eine differenzierte Förderung sei nur möglich,
"wenn es eine klare Diagnostik gibt". Diese Notwendigkeit nehme "auch mit
der Inklusion nicht ab".
Eine Diagnostik und "individuelle Förderpläne" werde es weiter geben,
hielten Preuss-Lausitz und Werning dagegen. Zu Schulstart beispielweise
wurde bei allen Kindern "Lernausgangslagen" geprüft und Förderbedarfe
analysiert. Eine Diagnose allerdings müsse immer unmittelbar mit einer
Förderung verbunden werden. Werning sprach von einem "zirkulären Prozess".
Sein Kollege Preuss-Lausitz würde drei mal im Jahr die Diagnosen
überprüfen.
Von Wissenschaftler-Warte gibt es also Rückenwind für Ties Rabe, der bis
Weihnachten sein Inklusionskonzept vorstellen will. In der Praxis bleiben
allerdings Fragezeichen. Der ebenfalls als Experte geladene Schulleiter Pit
Katzer warnte vor einer Überforderung der Stadtteilschulen. Diese hätten
ohnehin einen hohen Anteil lernschwacher Schüler.
Es drohe eine "Negativ-Kreislauf", bei dem die noch verbliebenen
leistungsstarken Schüler ans Gymnasium wechseln. Inklusion in eine schwache
Lerngruppe sei "fatal", pflichtete Werning ihm bei. Man müsse
sicherstellen, dass die Gruppen "hinreichend stark sind". Das Problem:
Gymnasien beteiligen sich bisher nur an "zielgleicher" Inklusion, etwa von
Kindern im Rollstuhl, die Abitur anstreben.
Das müsste nicht so bleiben. Martin Eckert vom Elternverein "Leben mit
Behinderung" verwies auf das Gymnasium in Bad Segeberg, das seit Jahren
auch behinderte Kinder mit anderen Lernzielen aufnimmt. "Man muss es nur
machen."
13 Nov 2011
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Inklusion
Inklusion
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit im Lehrer-Stellen: Rot-Grün knausert bei Inklusion
Schulsenator versprach 5. Klassen der Stadtteilschulen 85 Stellen, nun
werden es zehn weniger. GEW und Elternkammer sehen Versprechen gebrochen
Inklusion in Hamburg: Sebastian hat keine richtige Schule
Hamburgs Schulbehörde möchte einen autistischen Jungen auf eine
Stadtteilschule schicken. Dagegen wehren sich die Eltern. Auch sein Arzt
warnt davor.
Inklusion in der Praxis: Was, zum Teufel, ist Inklusion?!
Der Republik muss Schüler mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen
inkludieren. Wie das geht wissen Heilpädagogen - werden aber selten gehört.
Behinderte auf Regelschulen: Kultusminister bleiben unverbindlich
Die Kultusminister stellen nur schwammige Empfehlungen zum gemeinsamen
Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder vor. Kritik üben die
Sozialverbände.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.