# taz.de -- Kommentar Sicherheitsbehörden: Gegen Terror hilft Polemik nicht | |
> Vielleicht ist der rechte Terror ein Beleg dafür, dass wir eben nicht in | |
> einem Überwachungsstaat leben, in dem die Behörden alles auf Knopfdruck | |
> herausfinden können. | |
Je schlimmer das Verbrechen, desto höher die Erwartungen an die | |
Sicherheitsbehörden. "Wie konnte es drei Personen gelingen, dreizehn Jahre | |
unentdeckt illegal zu leben und in diesem Zeitraum mindestens zehn Menschen | |
zu töten?" - die Frage ist allgegenwärtig. Und sie legt zwei | |
Schlussfolgerungen nahe: Wenn die Sicherheitsbehörden eine solche Mordserie | |
nicht verhindern konnten, haben sie entweder Dreck am Stecken oder sie sind | |
Stümper. | |
Vielleicht ist das ungeheuerliche Verbrechen aber ein Beleg dafür, dass wir | |
eben nicht in einem Überwachungsstaat leben, in dem die Behörden alles | |
wissen oder zumindest auf Knopfdruck herausfinden können - dass es einer | |
kleinen abgeschotteten Gruppe mit viel Fanatismus, krimineller Energie und | |
technischer Präzision durchaus gelingen kann, unauffällig zu leben und | |
trotzdem einen Mord nach dem andern zu begehen. | |
Die Sonderkommission der Polizei ging ab 2006 von ein oder zwei | |
rassistischen Einzeltätern aus. Es hat aber nichts genutzt. Auch die | |
Antifa, die in rechten Kreisen oft besser informiert ist als Polizei und | |
Verfassungsschutz, hatte das Thüringer Trio nicht als Täter der Mordserie | |
auf dem Schirm. | |
Wer will, dass die Ermittler auch in einer solchen Konstellation nicht | |
"versagen", muss ihnen tendenziell die totale Erfassung aller unauffällig | |
lebenden Personen ermöglichen, das heißt die allumfassende | |
Vorratsdatenspeicherung und Auswertung unseres Lebens. Wer aber keinen | |
totalen Präventivstaat haben will, sollte sich mit empörten Fragen und | |
Forderungen an die Sicherheitsbehörden etwas zurückhalten. | |
Auch der Thüringer Verfassungsschutz kann nicht umstandslos für alle Morde | |
des Zwickauer Trios haftbar gemacht werden. Selbst wenn er den Nazis beim | |
Untertauchen geholfen hat - was bisher nur eine Vermutung ist -, weil er | |
sie als Spitzel eingesetzt hat oder einsetzen wollte, muss er sich nicht | |
alles, was danach passiert ist, zurechnen lassen. | |
Bisher gibt es noch keine Anhaltspunkte, dass die Geheimdienstler schon | |
1998 von mörderischen Plänen wussten. Es gibt auch noch keine Indizien, | |
dass der Verfassungsschutz die NSU-Zelle während ihrer Mörderzeit gedeckt | |
hat. | |
Es gibt zwar durchaus Gründe, über Veränderungen oder gar eine Auflösung | |
des Verfassungsschutzes nachzudenken. Mit polemischen Unterstellungen wird | |
man aber nicht weit kommen. | |
15 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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